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Nummer 8/1999
67. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Als Horn wird ein Musikinstrument be-
zeichnet, das aus einer oder mehreren
röhrenartigen Windungen mit Schall-
trichter und Anblasevorrichtung besteht.
Keramische Hörner sind generell in drei
Gattungen unterteilbar, dem gebogenen
Horn, dem gewundenen Horn mit hori-
zontaler Windung und dem gewundenen
Horn mit vertikaler Windung
1
. Fragmente
solcher Instrumente sind immer wieder im
Fundmaterial von Grabungen
2
in Siedlun-
gen und auf Burgen zu beobachten und
weit verbreitet
3
.
Hörner fallen unter die Gruppe der
Aerophone. Die Tonerzeugung erfolgt bei
diesen Instrumenten durch die als Gegen-
schlag-Zungen wirkenden Lippen des
Bläsers, die die Luftsäule im Inneren der
gewundenen Röhre zum Schwingen brin-
gen. Die Lippen werden dabei zusammen-
gepresst und an das Mundstück gedrückt.
Dort reflektiert der Luftstrom des Anbla-
senden und versetzt die Lippen in Bewe-
gung. Diese Schwingungen übertragen
sich auf die Luftsäule im Inneren des
Rohrs, die dadurch periodisch zum
Vibrieren kommt. Die Frequenz hängt von
der Lippenspannung ab. Die Stärke der
Mensur des Rohres ist entscheidend für
vollständiges oder partielles Schwingen
der Luftsäule und damit für die spielbaren
Naturtöne. Eine enge Bohrung bewirkt das
partielle Schwingen, was wiederum die
Erzeugung von Naturtönen begünstigt. Die
Rohrlänge bestimmt den Tonumfang und
ist daher entscheidend für die Anzahl der
spielbaren Töne. Ein breites Tonspektrum
kann nur dann gegeben sein, wenn man
von einem tiefen Grundton ausgehend
möglichst viele Naturtöne entwickeln
kann. Je länger daher das Rohr ist, umso
mehr Töne sind spielbar, denn die Reihe
der Naturtöne ergibt erst mit zunehmender
Anzahl und Höhe durchgehende Oktaven.
Hörner gehören zu Sonderformen inner-
halb der Keramikproduktion, wobei meh-
rere Herstellungsarten bekannt sind:
Variante I: In einem ersten Arbeitsschritt
wellt man einen, an einer Seite erweiterten
Streifen Ton aus. Dieser kann dann um ein
Seil oder ein ähnlich biegsames organi-
sches Material gerollt werden
4
, anschlie-
ssend erfolgt das Aufwinden des Instruments
zur jeweils gewünschten Form. Sowohl die
Naht als auch die Flächen zwischen den
einzelnen Windungen verstreicht man mit
Ton. Beim Brennvorgang verkohlt das
Seil, die Bohrung im Inneren der Röhre
öffnet sich. Beim Glühen und Verbrennen
des Seils treten aber oft Sprünge und
Risse auf
5
. Aus diesem Grund ist diese Pro-
duktionsart nach Kunz nur bei relativ kur-
zen Röhren anzuwenden.
Variante II: Um Risse zu vermeiden,
schlägt Kunz die Produktion mit Hilfe ei-
ner sogenannten Schneidöse vor.
Dabei höhlt man einen Tonstrang ge-
wünschten Durchmessers mit einer
Schneidöse (Abb. 2) aus. Der dabei ent-
stehende einseitige Schnitt im hohlen
Strang wird in einem weiteren Arbeits-
vorgang geschlossen und verstrichen,
dann erfolgt das Aufwinden des Rohrs
6
.
Michael Schick
Ein keramisches Blasinstrument
des 18./19. Jahrhunderts aus Lienz
Fundstück aus einer Bruchgrube der Hafnerei Zimmermann-Troger-Ganzer
Abb. 1: Stadtkern von Lienz, Lage der Hafnerei an der Iselbrücke mit Pfeil gekenn-
zeichnet. (Plan entnommen aus M. Pizzinini, Lienz. Das große Stadtbuch, Lienz 1982,
Zeichnung: Peter Sölder)