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CHRONIK

PUSTERTALER VOLLTREFFER

NOVEMBER/DEZEMBER 2015

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nalsozialistische Organisation

in Südtirol war und 1933 illegal

gegründet wurde. Die Freiwil-

ligen kamen eher aus Gebieten,

die von der Italianisierung be-

troffen waren, sie waren eher

besitzlos und jung, eher anti-

klerikal. Zur Waffen-SS ge-

zwungen wurde man eher

gegen Ende des Krieges.“

Wie war die Ausbildung?

Casagrande:

„Sehr hart,

menschenverachtend,

man

musste Kameraden fast zu Tode

prügeln, wenn sie etwas nicht

geschafft haben, es gab harte

Mutproben. Es herrschte ein er-

niedrigender Ton gegenüber

den Volksdeutschen – so auch

den Südtirolern gegenüber.

Manche kamen nach der Aus-

bildung an die Front, andere in

die Konzentrationslager als

Wächter.“

Wie viele Südtiroler Männer

der Waffen-SS starben im

Laufe des Krieges?

Casagrande:

„Ca. 34 % der

Gesamtzahl. Sie starben überall

– manchmal nach fünf Jahren,

manchmal nach wenigen

Otto Casagrande aus Südtirol meldete sich freiwillig zur Waffen-SS

und erhoffte sich dadurch Anerkennung und gesellschaftlichen Auf-

stieg, was ihm auch teilweise gelang.

Herr Casagrande, erklären

Sie bitte die Waffen-SS.

Casagrande:

„Beim Überfall

auf Polen 1939 wurden ein-

zelne SS-Einheiten zum ersten

Mal an der Seite von Wehr-

machtsverbänden eingesetzt.

Die SS-Einheiten setzten sich

unter anderem auch aus den

Wachmannschaften der Kon-

zentrationslager zusammen.

Die Aufstellung vollausgerüs-

Otto Casagrande aus

Südtirol starb 1990 auf

einem Veteranentreffen

der Waffen-SS. Dies

veranlasste Sohn Tho-

mas Casagrande, sich

intensiv mit der Vergan-

genheit des ehemali-

gen SS-Untersturmfüh-

rers zu beschäftigen.

Nach 20 Jahren Re-

cherche legt er nun ein

Buch vor, in dem er

auch über Anzahl, Re-

krutierung und Verwen-

dung der vielen Südti-

roler SS-Freiwilligen

berichtet. Casagrande

im „PVT“-Interview.

teter eigener SS-Division nach

dem ‚Polenfeldzug’ führte dann

zu dem Begriff Waffen-SS.

Somit stand die Waffen-SS bis

Ende des Krieges sowohl für

die Ermordung der europäi-

schen Juden, Sinti und Roma,

als auch für über 30 SS-Divi-

sionen, die an allen Frontab-

schnitten als reguläre Verbände

kämpften. In Nürnberg wurde

die Waffen-SS aufgrund des

Holocaust und der Kriegsver-

brechen zu einer verbrecheri-

schen Organisation erklärt.“

Aus wie vielen Mitgliedern

bestand die Waffen-SS gegen

Ende des Krieges?

Casagrande:

„Aus knapp

einer Million“.

Wie viele Südtiroler waren

bei der Waffen-SS?

Casagrande:

„Geschätzte

3.500 bis 5.000. An die 2.000

Südtiroler konnte ich nament-

lich identifizieren. Sie waren 16

bis 60 Jahre alt und in allen SS-

Einheiten eingesetzt und damit

auf allen Kriegsschauplätzen.

Aber es gab Schwerpunkte je

nach Jahr der Rekrutierung.“

Wer meldete sich freiwillig,

wer wurde zur Waffen-SS ge-

zwungen?

Casagrande:

„Freiwillig

meldeten sich eher Aktivisten

des Völkischen Kampfrings

Südtirol (VKS), der eine natio-

Jahr 1919: Otto Casagrande (mit Tafel) mit Freiwilligen in Neumarkt.

„Mit 19 Jahren meldete sic