ERINNERUNGEN
PUSTERTALER VOLLTREFFER
AUGUST/SEPTEMBER 2015
7
17-jährigen polnischen Bur-
schen von hinten mit einem
Messer erstochen wurde.“
Man brach auf – 18 Tage lange
mussten die Männer marschie-
ren. 60 bis 80 Kilometer täglich,
an einem Tag waren es sogar 120
Kilometer. „Wir sind immer
hinter den Panzern nach. Es war
sehr heiß. Zu essen und zu trin-
ken gab es kaum etwas. Aber
Hunger spürten wir nicht, umso
mehr aber den schrecklichen
Durst“, erinnert sich Schett.
Marschieren für nichts
„Einmal kamen wir zu einem
Tiefbrunnen. Die Leute stürmten
auf den Brunnen zu und rauften
darum, als erstes an das Wasser
zu kommen. Der Arzt musste sie
mit Pistolenschüssen vertreiben,
um vorerst zu kontrollieren, ob
das Wasser nicht vergiftet ist,
was ja oft der Fall war.“ Einmal
sah Schett in einem Graben
Kohlköpfe wachsen. „Ich konnte
nicht widerstehen, bin hinunter
Franzose hatte Deutschland ja
auch den Krieg erklärt. Man
warnte uns: ‚Da werdet ihr jetzt
etwas erleben. Alle Tage eine
Schießerei.’ Aber weder wir
schossen, noch die Franzosen.
Wir konnten die Franzosen
sogar auf der anderen Seite der
Grenze dabei beobachten, wie
sie Straßen herrichteten, der
Franzose sah uns Bunker
bauen.“
Nach elf Tagen marschierten
die Männer zu Fuß bis nach Ko-
blenz. „Wir waren alle furchtbar
müde, die Leute lagen auf den
Boden nieder. Es schneite. Als
wir in der Nacht wieder antreten
mussten, fehlte einer. Wir fan-
den ihn 20 Zentimeter unter
reichten. „Wir fassten scharfe
Munition aus. In der Früh star-
tete ein wildes Feuergefecht.
Die Baracke, in welcher die Fi-
nanzer waren, wurde völlig zer-
schossen, der Zollbaum mit
dem Panzer niedergefahren –
von den Polen war dann nichts
mehr zu sehen. Gegen 8.30 Uhr
sind wir über die Grenze und
marschierten weiter. Es war
alles ganz ruhig.“
„Wir litten furchtbar
an Durst“
Am zweiten Tag sammelte
sich das gesamte Bataillon in
einer Ortschaft, um dort die
Nacht zu verbringen. „Es war
eine Heerschar von Soldaten. In
einem Graben stellte man die
Panzer und eine Unmenge von
Treibstoff ab. Plötzlich kreiste
ein Flieger über uns und ließ
haufenweise Bomben herunter.
Neben dem Panzer und dem
Treibstoff bohrten sie sich in
weichen Boden. Und es pas-
sierte nichts. Plötzlich sahen wir
in der Ferne zwei schwarze
Trümmer herabstürzen. Es war
der Flieger, der die Bomben ab-
geworfen hatte. Die deutsche
Flak hatte ihn abgeschossen.
Wir sahen noch den Piloten und
einen weiteren Mann mit dem
Fallschirm abspringen. Dann
war es ganz ruhig. Bis ein deut-
scher Militarist, der gerade im
Wald einen Patschen bei seinem
Motorrad flickte, von einem ca.
und habe drei, vier Köpfe he-
rausgerissen. Mir blieb aber nur
ein kleines Stück, den Großteil
haben mir die anderen aus den
Händen gerissen – so sehr
quälte der Durst. Wir versuchten
alle Flüssigkeit aus dem Gemüse
zu kauen.“
Immer wieder war es auch so,
dass die Brücken, die die Män-
ner überqueren sollten, von
den Polen bereits in Brand ge-
steckt worden waren. „Teil-
weise waren wir so sehr mit
Staub bedeckt, dass wir beim
Durchqueren der Flüsse nicht
einmal nass wurden.“ Beim
Überqueren des sehr breiten
Flusses San (rechter Nebenfluss
der Weichsel in Südostpolen)
mussten sich die Männer aber
mit Flößen behelfen, die zu-
sammengehängt wurden. „Wir
gingen drüber, die Autos fuhren
drüber. Wir waren dann kurz
vor Lemburg, da kam der Be-
fehl: ‚Zurück in den Ausgangs-
ort!’. Wir wussten nicht warum.
Das war vielleicht frustrie-
rend!“ Zurück in der Tschechei
landeten die Männer im Zug.
„Keiner sagte uns, wohin sie
uns nun bringen.“
Marsch durch
Deutschland
Mitten auf einem Feld in
einem unscheinbaren kleinen
deutschen Ort wurden die Sol-
daten ausgeladen – nahe der
Grenze zu Frankreich. „Der
einer Schneedecke schlafend.“
Mit dem Zug ging es in eine
Ortschaft in die Nähe von
Berlin. „Und wir hatten wieder
keine Ahnung, was man mit uns
vorhatte. Das war sehr quä-
lend.“
Narvik
Die Familie in Strassen hatte
derweil um einen Anbau-Urlaub
für Anton Schett angesucht, der
bewilligt wurde. „Während ich
daheim war, marschierten meine
Leute, die dritte Gebirgs-Divi-
son, in Narvik ein.“ Es gab
wilde Gefechte, Schiffe versan-
ken, viele Männer starben. Die
deutschen Truppen besetzten
am Morgen des 9. April 1940
den Hafen von Narvik (diente
der Verschiffung des schwedi-
schen Eisenerzes aus Kiruna)
und arbeiteten sich in den da-
rauffolgenden Wochen schritt-
weise ins Landesinnere vor. Mit
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