REPORTAGE
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JUNI/JULI 2015
23
Sie spielte stets Theater
Auf die Prügeleien folgten
immer wieder Arztbesuche und
viele Ausreden, warum man mit
dieser und jener Verletzung in
der Ordination oder im Kran-
kenhaus erschien. Auch im Ver-
wandten-, Freundes- und Be-
kanntenkreis spielte Maria Thea-
ter. Niemand ahnte wirklich,
was in ihrem Zuhause wirklich
los war. Die Störungen des Kin-
des deutete man allgemein als
Entwicklungsverzögerung.
Maria begann nach einigen
Jahren wieder halbtags als Se-
kretärin zu arbeiten. „Das war
für mich der Startschuss für
mehr Selbstbewusstsein“, erin-
nert sie sich. Sie wagte sich
erstmals in eine Beratungsstelle
für Frauen. „Ich versuchte mich
vorsichtig vorzutasten. Erzählte
zwar meine Situation, aber
sagte gleich dazu, dass die eine
Bekannte betreffe und ich ihr
helfen wolle.“ Danach war sie
davon überzeugt: „Ich werde es
schaffen, meinen Mann zu ver-
lassen.“ Doch als Maria abends
– wie gewohnt – erneut Prügel
von ihrem Mann kassierte –
zerrann ihr Selbstbewusstsein
plötzlich wie Eis in der Sonne.
„Ich war wie am Boden zer-
stört.“
„Mich verließ der Mut“
Einige Tage vergingen – und
immer wieder spielten sich
dieselben Szenen in Marias Zu-
hause ab. Dann stand sie erneut
vor der Tür der Beratungsstelle
mit dem festem Willen etwas
nahm sich zwei Wochen frei,
ging zur Polizei, in die Bera-
tungsstelle, aufs Wohnungsamt
und suchte um Therapiemöglich-
keiten für das Kind an.
„Ich bin so glücklich“
Als der Mann arbeitete,
packte sie mit zwei Freundin-
nen ihre und die Sachen des
Kindes und zog endgültig aus
der Wohnung aus. „Auch wenn
mein Mann hätte ausziehen
müssen, ich wollte nicht mehr
in dieser Wohnung sein. Ich
wollte einen völligen Neustart.“
Nach einem halben Jahr hatte
es Maria dann geschafft. Ihr
konnte eine Wohnung zugewie-
sen werden, in der sie sich mit
ihrem Kind gut einlebte. Das
Kind machte durch intensive
Therapie große Fortschritte,
Marias Lebensfreude kehrte
zurück und ihr Arbeitgeber er-
höhte ihr Gehalt. Und nach
einem Jahr konnte sie sagen:
„Ich fühle mich jetzt so glück-
lich. Die Scheidung von mei-
nem Mann wurde zum Kinder-
spiel.“
Für ihren Mann hatten die
Gewaltausbrüche gerichtliche
Konsequenzen. „Wir haben kei-
nen Kontakt zu ihm. Aber ich
habe gehört, dass er nun eben-
falls Therapien macht. Aber mit
ihm zusammenkommen möchte
ich nie mehr wieder. Die Liebe
zu ihm ist schon lange erlo-
schen. Mittlerweile gibt es eine
sehr nette männliche Bezugs-
person für das Kind“, so Maria.
Martina Holzer
dern er prügelte Kind und Frau
sogar windelweich. „Ich wusste
nicht, was ich tun sollte. Ich
hatte eine riesige Angst vor ihm
entwickelt. Denn er drohte mir
stets, wenn ich jemandem
etwas von seinen Gewaltaus-
brüchen andeutete, würde er
mich und das Kind umbringen.
Wenn ich ihn verlassen würde,
dann werde er uns die Hölle auf
Erden bereiten.“ Das Kind ent-
wickelte schwere Verhaltens-
störungen, war mit jeder Situa-
tion im Leben überfordert,
spielte nicht mit anderen Kin-
dern, zog sich ständig in sich
zurück. „Ich hatte ein wahnsin-
nig schlechtes Gewissen dem
Kind gegenüber, da ich es ein-
fach nicht schaffte, es zu be-
schützen. Aber mein Mann
war mir schon von der Körper-
größe her immens überlegen.
Er war sehr groß und stark und
ich klein und schwach.“
gegen ihre Situation zu tun.
„Aber ich kehrte wieder um.
Mich verließ der Mut vor der
Tür. Ich stand sicher an die 30
Mal davor.“
Dann kam der Tag X. Der Ehe-
mann schlug wieder Frau und
Kind und schrie plötzlich wie
von Sinnen: „Du bist die schlech-
teste Mutter der Welt. Du kannst
nicht einmal dein Kind beschüt-
zen.“ Dieser Vorwurf sei wie ein
Blitzschlag durch ihren Körper
gefahren. „Ich fühlte mich, als
würde ich aufwachen und hatte
das Gefühl, dass mein Selbst-
bewusstsein plötzlich ins Unend-
liche wächst. Ich packte mein
Kind, schnappte ein paar Sachen
zum Anziehen, setzte mich mit
ihm ins Auto und fuhr ins
nächste Hotel. Mein Mann tat gar
nichts dagegen.“ Dann ging es
für Maria am nächsten Tag
„Schlag auf Schlag“: Sie erzählte
ihrem Arbeitgeber die Wahrheit,
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Ingrid Pantoi,
T +43 (0)512/261161-102
oder
ingrid.pantoi@
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