REPORTAGE
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JUNI/JULI 2015
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mir große Sorgen, hatte keine
Ahnung, wo er steckte. Als ich
schon die Polizei alarmieren
wollte, torkelte er plötzlich bei
der Tür herein, schwer betrun-
ken. Als ich ihn zur Rede
stellte, schlug er mir abermals
ins Gesicht – so kräftig, dass
ich das Gleichgewicht verlor,
mit dem Kopf auf der Kante
des Esstisches aufschlug und
mir eine große Platzwunde
zuzog. Ich musste ins Kranken-
haus und war so schockiert von
seinem Verhalten, dass ich den
ganzen Tag nur mehr weinte.“
„Es tat ihm leid“
Maria weiter: „Mein Mann
entschuldigte sich zwar am
nächsten Tag – es tat ihm offen-
bar wirklich leid – aber am
Abend krachte es schon wieder.
Er ging erneut körperlich auf
mich los. Ich wusste nicht, was
mit ihm los war. Er redete nicht
darüber.“ Als das Kind zwei
Monate alt war, wurde es eben-
falls Opfers der Aggressionen
des Vaters. „Als es an Bauch-
weh litt und deshalb weinte,
beutelte er das Kind und schrie
wie ein Verrückter auf das
Kleine ein. Am nächsten Tag tat
es ihm wieder sehr leid. Er habe
derzeit einfach keine Nerven,
sagte er. Er wisse selbst nicht
warum. Wir entschieden uns,
dass er zum Arzt gehen sollte.“
Doch von einem Arztbesuch
wollte der Ehemann am nächs-
ten Tag nichts mehr wissen. Er
komme klar, meinte er. Doch
die Gewaltausbrüche hörten
nicht auf, sondern häuften sich.
„Bei jeder Kleinigkeit, die ihm
nicht passte, rastete er aus und
schlug mich und das Kind.“
„Hatte eine riesige
Angst“
Es blieb aber im Laufe der
Jahre nicht bei Ohrfeigen, son-
Eines Tages schaffte es Maria S. mit dem Kind in ein naheliegen-
des Hotel zu flüchten und der Situation daheim ein Ende zu be-
reiten.
Wenn man Maria (36) begeg-
net, gewinnt man den Eindruck,
dass sie es in ihrem Leben ge-
schafft hat. Sie strahlt über das
ganze Gesicht und steckt voller
Tatendrang. Nur ihre Narben auf
dem Rücken, sowie an Ober-
schenkeln und Oberarmen erin-
nern an jahrelanges Leid. Auch
die Folgen einiger teils schwerer
innerer Verletzungen spürt sie
bis heute. „Ich leide aber nicht
mehr seelisch. Und das ist das
Wichtigste“, erzählt die Sekretä-
rin in einem heimischen Unter-
nehmen. Als Sekretärin arbeitete
sie schon als sie ihren mittler-
weile Ex-Mann kennenlernte –
damals mit Anfang 20 Jahren
auf einem Volksfest in Matrei
i. O. „Ich war sofort Feuer und
Flamme. Er war fesch und sehr
nett“, erinnert sie sich. Nach
einigen Jahren des Beisammen-
seins wurden der einstige Ost-
tiroler Angestellte und sie ein
Ehepaar. „Von da an veränderte
er sich jedoch. Er behandelte
mich plötzlich wie sein Eigen-
tum, schrieb mir andauernd vor,
was ich zu tun und zu unterlas-
sen hatte. Das war sehr befrem-
dend.“
Der „Start“
Als ihr gemeinsames Kind
zur Welt kam, gab es dann die
erste körperliche Attacke sei-
tens des Ehemannes. „Genau
an dem Tag, an dem ich nach
der Geburt vom Krankenhaus
heimkehrte. Er hatte verspro-
chen, Windeln und so manche
andere Sachen für das Baby zu
besorgen. Besorgt hatte er gar
nichts. Wir begannen zu strei-
ten, und er schlug mir plötzlich
ins Gesicht. Das löste in mir für
einige Wochen eine tiefe Trauer
aus“, so Maria. Als sich die
Situation wieder beruhigt hatte,
kehrte der Ehemann die ganze
Nacht nicht heim. „Ich machte
Sie möchte die ganze W
Maria S. aus dem Osttiroler
Pustertal schaffte es ihr Kind
vor ihrem gewalttätigen Ehe-
mann zu schützen und sich
ein neues, freudvolles Leben
aufzubauen. „Ich bin heute
sehr glücklich“, erzählt sie.
Mit einem
Schlag ins
Gesicht
starteten
nach der
Geburt
ihres
Kindes
die
Gewalt-
exzesse
ihres
Mannes.