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OBERKÄRNTNER
VOLLTREFFER
1. DEZEMBER 2014
CHRONIK
Körper lag in einer großen
Blutlache, ein anderer Mann
erlitt schwerste Verletzungen
an Augen und Bein.
Von Martina Holzer
Was Mair nicht wusste. Auf
sein Grundstück – besser in
seine Garage – war neben
Holz auch hochexplosives Ma-
terial gebracht worden – zum
Befüllen eines ca. 50 bis 60
Zentimeter langen Böllers für
eine Hochzeit. „Doch Josef
Wallensteiner war nur Zu-
schauer“, betont Mair.
Er bettelte um seinen Arm
Die Rettungskräfte konnten
nach der Alarmierung den
Unglücksort nicht gleich finden.
„Ein Navigationssystem wie
heute gab es ja damals nicht.
Wertvolle Zeit verstrich“, so
Mair, der ins BKH Lienz einge-
liefert wurde. „Ich flehte und
bettelte die Ärzte inständig an,
meinen Arm zu retten, der bei
der Explosion von einem Eisen-
splitter abgeschlagen wurde.
Univ.-Prof. Dr. Christoph Papp
machte dann einen Replanta-
tionsversuch, fast die ganze
Nacht lang.“ Danach folgte er-
neut eine OP, bei dem Mair
wieder sehr viel Blut verlor.
Viele meiner Bekannten und
Feuerwehrkameraden spendeten
Blut, da die Vorräte im Kran-
kenhaus fast zur Gänze aufge-
braucht waren. „Für die Prüfung
der Konserven war keine Zeit
mehr. Das Blut rann auf ,direk-
ten Weg‘ in meinen Körper.
Das war lebensrettend für
mich.“ Es folgten weitere
Operationen. Rund eine Woche
später stand allerdings fest: Der
Arm musste wieder abgetrennt
werden. So schnell wie möglich,
sonst würde Peter Mair sterben.
Denn eine Sepsis sorgte mitt-
lerweile für große Probleme.
E
in ohrenbetäubender Knall
um 21.30 Uhr – dann war
alles vorbei an diesem 12.
September 1985. Der damals
33-jährige Busfahrer und Land-
wirt Peter Mair („Raderle“)
hatte gerade noch bei seiner
Garage in Dölsach Holz zu-
geschnitten, und Kollegen von
ihm waren in der Garage,
um eine kleine Holzhütte zu
zimmern. Jetzt stand Mair unter
schwerem Schock. Aus der
Garage drang Rauch und Feuer.
Mair war einige Meter wegge-
schleudert worden, sein linker
Arm hing nur mehr an einigen
Hautfetzen am Körper. „Als
ich halbwegs wieder bei mir
war, begann ich panisch herum-
zulaufen, immer meinen
abgerissenen Arm mit der rech-
ten Hand haltend.“ Seine Frau
Resi hatte es ebenfalls wegge-
schleudert, aber sie wurde nur
leicht verletzt. Gäste rannten
aus dem Haus und realisierten
wohl als Erstes das ganze Aus-
maß der Katastrophe. Dem
30-jährigen Josef Wallensteiner
zerriss es den Kopf, sein toter
Peter Mair aus Dölsach fehlt der linke Arm. Dieser wurde bei einem Böllerunglück
einfach weggerissen. Mair war damals aber nicht der einzige Betroffene. Ein Mann
starb. Über das furchtbare Erlebnis und die Zeit danach schrieb Mair jetzt ein Buch.
Auch darüber, dass seine Einarmigkeit ihn letztlich auf die höchsten Berge der Welt
brachte – gemeinsam mit dem blinden Bergsteiger Andy Holzer aus Tristach.
Peter Mair ver-
lor durch ein
schweres Böl-
lerunglück in
Dölsach seinen
linken Unter-
arm. Jahre der
Verzweiflung
und der extre-
men Moti-
vationslosig-
keit folgten, bis
er dem Leid
selbst ein Ende
setzte und sich
trotz Einarmig-
keit auf die
höchsten Berge
der Welt wagte
(hier auf dem
Mont Blanc).
Der harte, kalte Unterarm von Mair. „Mit dem dazugehörigen,
aufsteckbaren Haken kann ich mich bei Bedarf beim Bergsteigen
einhängen“, erzählt er.
Es war der zehnte
Hochzeitstag
„In mir brach eine Welt zu-
sammen“, erzählt der Dölsacher,
dem bei vollem Bewusstsein
sein linker Arm wieder abge-
nommen wurde. Nur der Arm
wurde narkotisiert. „Es war der
zehnte Hochzeitstag von meiner
Frau und mir.“ Am 4. Oktober
durfte er wieder heim. „Es war
katastrophal. Ich musste erst
lernen Hilfe anzunehmen.
Schon alleine das Nägelschnei-
den war nicht mehr möglich.
Ich konnte mich an nichts mehr
erfreuen, obwohl mir sehr wohl
bewusst wurde, dass ich um
Haaresbreite dem Tod entging
und eigentlich froh sein müsste.
Doch ich hatte schreckliche
Angst davor, als hilfsbedürftiger
und arbeitsloser Invalide nur
mehr im Haus dahinvegetieren
zu müssen und total von ande-
ren abhängig zu sein.“ Einen
Hoffnungsschimmer hatte er
erst wieder, als ihm sein bishe-
riger Arbeitgeber eine Stelle
als Tankwart in der Postgarage
Lienz anbot. Er wollte so
schnell wie möglich beginnen.
Die Wunden waren noch gar
nicht verheilt, stand er mit
einem Arm in der Postgarage.
„Doch damals noch ohne
Prothese tat ich mich bei der
Arbeit sehr schwer. Wenn mir
etwa was aus der rechten Hand
fiel, wollte ich es mit der linken
auffangen. Es war sehr frustrie-
rend.“ Und je näher Weihnach-
ten heranrückte, umso schwerer
lastete sein Schicksal.
Finanzielle Not
Denn die Familie mit mehre-
ren kleinen Kindern und einem
laufenden Hauskredit war durch
den Unfall und in Folge den
beschränkten Einkommensmög-
lichkeiten mittlerweile in eine
finanzielle Notlage geraten. Am
Vormittag des 24. Dezember
läutete es dann an der Tür. „Ein
Ehepaar aus der Nachbarschaft
stand vor der Tür. Der Mann
war damals Präsident des Lien-
zer Lions Clubs, der unbüro-
kratisch Menschen hilft, die
unschuldig von einem schweren
Schicksalsschlag getroffen wur-
den. Das Paar händigte mir
einen namhaften Geldbetrag
aus. Ich war so dankbar dafür
und bin es noch heute.“ Nach-
dem die körperlichen Wunden
halbwegs verheilt waren, musste
Mair in das Reha-Zentrum Bad
Häring. „Dort wurde mir auch
„Ich bettelte um meinen Ar
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20. NOV ER 2014
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