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CHRONIK
PUSTERTALER VOLLTREFFER
OKTOBER/NOVEMBER 2014
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„Mit diesen Eröffnungen ent-
stand eine unaufhaltsame Vor-
wärtsentwicklung im Dienste
der seelischen Gesundheit, die
schon lange notwendig war und
von der Bevölkerung dankbar
angenommen wurde“, erklärt
Dr. Roger Pycha, Primar der
Psychiatrie in Bruneck. „Zwei
Jahre später konnten wir mit
nur zwei ansässigen Fachärzten
einen psychiatrischen Bereit-
schaftsdienst sogar rund um die
Uhr anbieten. Das brachte uns
an den Rand der Erschöpfung,
war für die Versorgung Betrof-
fener aber wesentlich. Denn
Krankheiten und Krisen kennen
keine Feiertage, sind nachts
und am Wochenende sogar
eher häufiger.“
Kinderpsychiatrie
Von 1997 bis 2010 war die
Psychiatrie in Bruneck die ein-
zige in Südtirol mit integrierter
Kinderpsychiatrie-Ambulanz.
Auch die erste Psychosomatik-
Ambulanz Südtirols wurde in
Bruneck aus der Taufe gehoben.
Einen besonderen Kampf führt
man in der Bezirksstadt gegen
das Leiden des 21. Jahrhun-
derts, die Depression. „Sie wird
ab 2020 für Frauen, ab 2030
auch für Männer die weltweit
bedeutendste aller Krankheiten
sein. Sie raubt der Menschheit
bereits jetzt die allermeisten ge-
sunden Lebensjahre.“
Ausstellung
Dem Thema Depression wid-
met sich auch das Sozialkunst-
projekt „Magische Momente“,
das im weitläufigen Eingangs-
bereich des Krankenhauses
Bruneck noch bis zum 31. Okto-
ber „magische Nischen“ entste-
hen ließ. „Die Idee war, im
Krankenhaus eine magische
Gegenwelt als Ergänzung ent-
stehen zu lassen, die in das
träumerische Erzählen einführt.
Diese war kulturgeschichtlich
am frühesten und am stärksten
in Persien präsent“, so Pycha.
Magische Nischen seien örtlich
das, was zeitlich Fantasiereisen
und Wachträume leisten. „Sie
entführen uns in eine zauber-
hafte Welt, in der das Leid rela-
tiviert erscheint oder einfach
von Neugier überlagert wird.
Sie erlauben ein kreatives Spiel
mit Wünschen und Vorstellun-
gen, die die Wirklichkeit oft
erst aushaltbar machen.“
Resilienz
„Neue Regeln, Spiegelun-
gen, Aufhebung fixer Ordnun-
gen von Raum, Zeit und Kau-
salität sind die Dimensionen, in
denen sich Magie entfalten
kann. Es ist seit jeher ein urei-
gener Auftrag der Kunst, diesen
Bereich im Menschen zu ent-
wickeln und zu stärken, um ihn
widerstandsfähig zu machen
gegen die Unbill des Schicksals
– Fachleute nennen diese
Fähigkeit Resilienz“, betont
der Primar. Das Sozialkunst-
projekt „Magische Momente“
stammt von einer Gruppe von
Künstlern rund um Sylvie
Riant. „Sie hat mit Betroffenen
aus der Psychiatrie ein Video-
kunstwerk erstellt, präsentiert
aber auch eine eigene sehr fili-
grane Komposition. Fotografi-
sche und bildnerische Beiträge
zu magischen Momenten stam-
men von der Psychiaterin und
Künstlerin Irene Raich, ein
weiteres Video von der Franzö-
sin Melody Lutton.“
Von Kubin bis Tavakoli
Auch eine Auswahl an Wer-
ken von Alfred Kubin aus der
Sammlung von Josef Gasteiger,
Kunstfotografien des berühmten
Iraners Majid Saeedi und Werke
der persischen Künstlerin Zoya
Tavakoli sind zu sehen. Den
Texten von Forough Far-
rokhzad, der wohl bedeutend-
sten zeitgenössischen iranischen
Lyrikerin, wurde eine eigene
Nische gewidmet. Das Projekt
wird vom Gesundheitsbezirk
Bruneck, Kultur- und Sozialver-
einen sowie vom Rotary-Club
Brixen-Bruneck getragen.
Vor 20 Jahren wurde die Abteilung für Psychiatrie in Bruneck eröffnet. Seit die-
ser Zeit sind auch die Reha-Einrichtung Sägemüllerhof in Gais und das Zentrum
psychischer Gesundheit Bruneck ganzzeitig besetzt. Anlässlich des Jubiläums
gibt es im Krankenhaus eine Ausstellung, die besonders der Seele gut tut.
Der Eingangsbereich des KH Bruneck zeigt derzeit die
Sozialkunstausstellung „Magische Momente“.
Psychiatrie Bruneck als Vorreiter