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OSTTIROLER
NUMMER 4-5/2013
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HEIMATBLÄTTER
Reaktionen auf einen Teil seiner Bild-
werke, mit denen er umgehen musste,
ohne dabei in ignorante Selbstverherr-
lichung zu geraten oder gegenteilig, seine
künstlerische Präsenz den allgemein gän-
gigen Kunstvorstellungen einer Mehrheit
anzupassen bzw. sie ihnen unterzuordnen.
Auch wenn heute noch die Person Franz
Walchegger polarisiert, reflektieren nicht
umsonst seine Kunstwerke, sowohl im pri-
vaten Rahmen wie auch im öffentlichen
Raum, das zeitgenössische Kunstdenken in
interessanter Ausformung – man schreibt
über ihn!
In einer veröffentlichten Tagebuchein-
tragung im Zusammenhang mit der Ver-
leihung des „Christoph Zanon-Literatur-
preises“ 2010 im Rathaussaal in Lienz fin-
det man von dem in Matrei in Osttirol
lebenden Künstler und Schriftsteller Peter
Raneburger (geb. 1967) die Notiz:
„16-12-
10 – fühlte mich (…) inmitten von franzs‘
(walchegger) phantastischen spätwerken
unglaublich wohl – besonders franz gab
mir kraft und sicherheit – der raum an sich
ist ein postmoderner krampf – durch franz
betretbar …“
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Und anlässlich der Ge-
dächtnisausstellung zum 70. Geburtstag
des Künstlers 1983 schreibt im Vorwort
des Ausstellungskataloges der aus
Lienz/Tirol stammende Maler Lois Sal-
cher (geb. 1951) einige Jahre früher die
treffenden Worte:
„Über Kunst zu spre-
chen, wenn man kein umfangreiches Wis-
sen besitzt und ohne die nötige Empfin-
dungsfähigkeit des Herzens, ist schwer,
und noch schwieriger ist es, das Wesen des
verstorbenen Künstlers auszumachen,
wenn es, wie mir, nicht gegönnt war, ihn
persönlich gekannt zu haben. Und doch ist
es mir ein Anliegen, über einen solchen
Künstler zu sprechen, über Walchegger,
gerade deshalb, weil über ihn so lange
geschwiegen worden war.“
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Die Schulzeit in Lienz und die
Ausbildung im Malerhandwerk
Franz Walcheggers Leben umfasste nur
knapp über fünf Jahrzehnte, in denen er
aus der Perspektive der Kunstbetrachtung
nicht mit den konventionellen Doktrinen
d‘accord ging und somit aus heutiger Sicht
einen essenziellen Beitrag zur österrei-
chischen Kunstgeschichte stellte. Geboren
wurde er am 1. April 1913 in Lienz als
jüngstes von drei Kindern seiner Eltern
Romed Walchegger (1865-1954), der aus
Lienz stammte, von Beruf Lokführer war,
und Franziska Valentintschitz (1878-1960),
deren Vater in Klagenfurt eine ansehnliche
Tischlermeisterwerkstatt führte. Bereits
1899 errichtete Romed Walchegger in der
Alleestraße Nr. 14 in Lienz nach den Plä-
nen des Lienzer Maurermeisters Josef
Glantschnig eine viergeschossige Villa mit
im Verandenstil konzipierter Fensterfront
an der Südfassade und erwarb außerdem
1908 eine weitere Liegenschaft in der
Alleestraße Nr. 12, die in späteren Jahren
bis 1957 das Wohnhaus und das Atelier
von Franz Walchegger werden sollte.
Den überlieferten Erzählungen nach er-
lebten die Geschwister Maria (1903-1999),
Anna (1906-1990) und Franz Romed im
Umfeld der Wirren des Ersten Weltkrieges
und der für einen Großteil der Bevölke-
rung von Entbehrungen geprägten Nach-
kriegszeit ein von Disziplin und Strenge
durchwobenes Erwachsenwerden in einem
trotzdem behüteten familiären Umfeld.
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Zahlreiche erhaltene Blätter, Zeichnungen
und bereits Bilder in Öl aus diesen Kind-
heitstagen geben die ersten Einblicke auf
sein bildnerisch talentiertes Wesen frei.
Zum Beispiel zählt das kleine, 1927 in
Wasserfarben ausgeführte Blatt mit der
Darstellung von
„Schloß Freundsberg“
bei Schwaz/Tirol zu den gelungenen
Fingerübungen des 14-jährigen Buben.
Zwischen 1919 und 1924 besuchte das
Kind die obligatorische fünfjährige Kna-
benvolksschule in Lienz, und, nur nebenbei
erwähnt, war dort Hermann Wiesflecker
(1913-2009), der spätere Historiker und
Professor an der Universität in Graz, einer
seiner Klassenkameraden. Gleich im An-
schluss folgte die dreijährige Bürgerschule
in Lienz bis zum Sommer mit der Zeugnis-
verteilung am 15. Juli 1927. Es war dann
sein Klassenvorstand an der Knaben-Bür-
gerschule, Hans Gasser, der später mit des-
sen augenscheinlicher Beurteilung bezüg-
lich des bildnerischen Talents des Kindes
auch die Eltern dazu animierte, eine wei-
terführende Ausbildung auf diesem Gebiet
1930 am „Haidenhof“ in Lienz. Franz Walchegger (links außen) beschriftete das Foto
mit „Eine Runde lustiger Brüder 31. Mai 1930“.
(Privatbesitz)
1927: „Schloß Freundsberg bei Schwaz in
Tirol“; Wasserfarbe auf Papier, Passepar-
tout-Ausschnitt 27 x 16,5 cm; bez. links
oben: Innsbruck am 28. 9. 1927, und im un-
teren Bereich: Schwaz – Schloß Freunds-
berg (Tirol) Walchegger.
(Privatbesitz)
Der kleine Franz im Alter von acht Jahren
mit seinen Schwestern Maria und Anna –
die Aufnahme wurde im Atelier „Georg
Egger“ 1921 in Lienz gemacht.