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Wenn man sich mit der
abgeschlossenen Lebens-
geschichte eines kunst-
schaffenden Menschen
ausführlicher beschäftigt,
stellt man sich doch
immer wieder die Frage
nach der Effizienz und der
Wertigkeit der tatsäch-
lichen, unverrückbaren
Geschehnisse rund um
diese Person und der nur
überlieferten, zum Teil
auf Nacherzählungen be-
ruhenden Informationen
und Geschichten. Die
Verhältnismäßigkeit zwi-
schen anschaulichen, be-
legbaren Beispielen aus
diesem besagten Leben
und dem vermittelten Er-
zählgut der Vertrauten und
der Mitmenschen sind
von dem nicht uninteres-
santen Aspekt der Bewer-
tung dieser Person schon
zu Lebzeiten abhängig.
Wie mehr oder weniger
interessant kann ein
Leben strukturiert sein,
damit es im Gedächt-
nis der nachkommenden
Generationen weiterhin
verankert bleibt? Nur we-
nigen Menschen sind die
Konsequenzen als das
Instrumentarium ihres
Tuns längerfristig be-
wusst, und sie gestalten
mit dieser vorausschauen-
den Perspektive mehr als
das alltägliche Dasein.
Die angesprochene Be-
wertung einer Persönlich-
keit und deren verhältnis-
mäßiger Grad an Interes-
santheit hängt im Grunde
genommen weniger von
der Dichte der Aktivitäten
im Leben als viel mehr
von den Inhalten und der
vielleicht einhergehenden
Brisanz der Dinge ab.
Wenn wir uns mit der
Lebensgeschichte von
Franz Walchegger befas-
sen, dann obliegt hier der
Kunst, der Überlieferung
die prolongierte Nachhal-
tigkeit an die Seite zu
stellen. Individualität,
Exzentrik und Impulsivi-
tät scheinen als Charak-
teristika das Leben des
Tiroler Malers begleitet
zu haben, denn es sind ge-
rade jene persönlichkeits-
spezifischen Eigenschaf-
ten, die sein gesamtes
malerisches Werk unterle-
gen, es erst ermöglichten
und damit noch heute in
das Bewusstsein von uns
Außenstehenden vordrin-
gen kann.
Es ist nicht von unge-
fähr, dass das ausgelebte
Naturell eines Menschen,
eines Künstlers, sich den
konventionellen Vorlagen
– sowohl im Kunstbetrieb
als auch im Alltag – ent-
gegen stellt und damit in
seiner Zeit um die Schwie-
rigkeit der Akzeptanz sei-
ner Person und seines
Talents als Maler weiß. Es
waren widersprüchliche
NUMMER 4-5/2013
81. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Eleonora Bliem-Scolari
Franz Walchegger (1913-1965)
Einblicke in das Leben des Tiroler Malers
der Klassischen Moderne
Zum 100. Geburtstag des Künstlers
1952: Selbstbildnis mit Akt; Öl auf Leinen, auf Platte montiert, 100 x 73 cm;
bezeichnet links oben: F. Walchegger 52.
(Privatbesitz)