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Nach neuesten Untersuchungen aus
England (PHM) gemäß Tiroler Tageszei-
tung vom 9. März 2000 sind Angstmacher
bei Frauen und Männern zumindest in
England wie folgt verteilt: ganz oben die
Schlangen, Heirat/Standesamt vor allem
bei Männern, Arztbesuch/Krankenhaus,
Spinnen bei Frauen an zweiter Stelle,
Höhenangst, noch vor dem Tod bei Män-
nern und Frauen die Angst vor Ratten und
Mäusen. Sei dem eben so, Papier ist über-
all sehr geduldig.
In unseren Gegenden scheint es ähnlich
oder gleich zu sein: wenig bis gar nicht be-
liebte Tiere sind Fledermäuse, Ratten,
Mäuse, Schlangen und Kröten und nicht
zuletzt und unter anderem auch die Spin-
nen, nach Personen allerdings sehr unter-
schiedlich verteilt.
„Spinne am Morgen bringt Kummer und
Sorgen“ ein Sprichwort ohne erklärten
Hintergrund, höchstens für den Woh-
nungsputz der Hausfrau eventuell ein Hin-
weis.
Aus der sehr umfangreichen Tierklasse
der Spinnentiere (Arachnida, mindestens
30.000 Arten) sind bei uns folgende Ord-
nungen vertreten: Echte Skorpione (nur 1
Art: der Deutsche Skorpion), Webspinnen
(meist durch die Seidennetze gut bekannt,
derzeit etwa 260 Arten), Unechte Skor-
pione (kleine, harmlose Bodentiere, auch
Bückerskorpion, etwa 25 Arten), Weber-
knechte (meist lange Beine, kleiner Kör-
per, keine Netze, etwa 35 Arten), Milben
(sehr kleine Formen, auch die Zecken: Ar-
tenzahl nicht bekannt, jedenfalls viele
Hunderte).
Alle unsere einheimischen Spinnen
sind harmlos und für den Menschen un-
giftig im Gegensatz zu „Schwarzen
Witwen“, „Vogelspinnen“, „Taranteln“
und anderen TV-Bekannten mit meist zu
wenig Informationen über ihre Verhal-
tensweisen und Formenfülle. Schön und
bunt gefärbte Arten sind bei sehr vielen
Tiergruppen vorwiegend in den Tropen,
Subtropen, auch schon im Mittelmeerraum
zu finden. Im Alpenraum sind die Tiere
vor allem in den Höhenlagen eher un-
scheinbar groß und haben mit freiem Auge
kaum gut sichtbare Zeichnungen. Erst das
Binokular zeigt viele verblüffende Details!
Unter den vielen schönen Formen seien
hier nur fünf ausgewählt wegen der Größe
und Färbung, daher gut zu erkennen, von
fast allen Arten sind weitere Kenntnisse
sehr erwünscht, die Bestimmung der Arten
ist aber fast nur Spezialisten möglich.
Schwarze Röhrenspinne
(Eresus
niger – Gruppe): Der deutsche Name be-
zieht sich auf die fast völlige Schwarzfär-
bung der plumpen Weibchen. Die Männ-
chen sind viel bunter gefärbt und derzeit in
der systematischen Benennung der einhei-
mischen Belege noch zu klären, doch das
ist ein Problem für die Spezialisten, ob die
Art dann Eresus niger, cinnabarinus oder
sandaliatus heißen wird. Jedenfalls haben
wir nur im Virgental vereinzelte, aber
interessante Funde zu verzeichnen.
Virgental:
Wallhorn/Prägraten,
1
Männchen, 2 Weibchen, 1991, 1.440 m,
gesammelt von Dr. P. Mildner, Klagenfurt,
dort zusammen mit dem Autor am 1. 6.
1991 noch ein Pärchen; ein unerwarteter
Fund noch am 21. 5. 1998 in Marin bei
Virgen, ein Männchen auf demWege krie-
chend. Dazu eine briefliche Mitteilung von
Hr. M. Beresheim, Frankfurt/M., der An-
fang Juli 1984 ein unverwechselbares
Männchen am Weg von der Eisseehütte
zur Sajathütte („Prägrater Höhenweg“) in
etwa 2.450 m Höhe gesehen hat (Karte mit
Fundort wurde übermittelt), das wäre für
diese Art ein echter Höhenrekord. Vielen
Dank!
Die Röhrenspinnen bilden eine eigene
Familie (Eresidae), die Weibchen leben in
etwa 10 cm tiefen Bodenröhren, mit
Spinnseide ausgekleidet und oben mit
einem Gespinstschirm zum Beutefang be-
deckt. Auch in Wallhorn konnten wir so
ein Brutgebilde in kurzgrasigem Weide-
gebiet sonnseitig finden und beobachten.
Die ausschlüpfenden Jungtiere überwin-
tern in dieser Bodenröhre und bleiben dort
bis zur sechsten Häutung, dann stirbt das
Weibchen und wird von den Jungen auf-
gefressen. Gesamtlebensdauer etwa vier
Jahre, die Männchen wandern auf Part-
nersuche umher. Ihre rote Rückenfärbung
mit vier oder sechs schwarzen Punkten ist
einmalig in unserer Spinnenwelt.
Eichblatt – Radspinne
(Ceropegia
aculepeira): Die ganze Spinne gelblich-
grün mit deutlich-hellerer Färbung in
Form eines Eichenblattes auf dem Rücken,
daher der deutsche Name. Das große Netz
mehr in Bodennähe (50 cm) im Gebüsch
mit Schlupfwinkel zum Lauern auf
Beute. Als Fluchtweg bei ernster Gefahr
hat das Tier einen Fluchtfaden, an dem es
sich rasch zum Boden abseilen kann, stra-
tegisch günstige Lösung, aber wie kom-
men die Tiere auf solche „Einfälle“?
Das Tier ist relativ oft zu finden: fast 50
Funde in Osttirol, recht oft in den Virgener
Feldfluren in verschiedenen Lebensräu-
men. Von den verschiedenen Tallagen aus
allen Tälern bis 2.100 m am Dorfberg bei
Kartitsch. Dabei sind die Weibchen mit 14
mm deutlich größer als die Männchen mit
nur 8 mm.
Garten – Kreuzspinne
(Araneus dia-
dematus): Die typische kreuzförmige
Zeichnung gab der ganzen Gruppe (Echte
Radnetzspinnen, Kreuzspinnen) den
Namen. Die Tiere variieren stark in der
Farbe (braun bis rot), nächst verwandte
auch in der Zeichnung. Ihre Netze sind
recht groß bis über 2 m über dem Boden.
Das Tier wartet auf seine Beute kopfunter
im Netz oder mit einem Signalfaden im
nächsten Winkel. Netzbau und Beutefang
sind eine schöne Übung für Zeitraffer-
Aufnahmen.
In Osttirol kennen wir etwa 40 Streu-
funde bis etwa 1.800 m (Winkeltal bei
Kartitsch, Kristeinertal, Instein Alm und
Kerschbaumer Alm/Lienzer Dolomiten,
Nummer 6-7/2000
68. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Alois Kofler – Naturkundliche Raritäten aus Osttirol
Ungeliebt und trotzdem schön:
fünf bunte Spinnen