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angeschwollenen „Köf-
ler Bach“ talwärts ge-
schwemmt wird und
den „großen Bach“ ver-
färbt – das gleiche pas-
siert mit dem
Reatepach
im Arntal, der unter der
Roten Spitze (in Karten)
entspringt, in Innervill-
graten
di Reate
genannt.
Wenn der Stallerbach
draußen
beim
Zu-
sammenfluss mit dem
Kalksteinerbach trübes,
rötliches Wasser führt
und das zerriebene Ge-
stein
entsprechend
riecht, sagen die Einhei-
mischen „es reatelat“;
sie wissen dann, dass von
den mürben, rötlichen
Felsen der „Reate“ nach
einem Gewitter eine
Mure abgegangen ist
und dass feines Material
im Hochwasser talaus-
wärts schwimmt. Das
Geschiebe im Bach heißt „Reatelet“.
Ganz hinten im Villgraten gibt es die
Unterstaller- und Oberstalleralm, in den
meisten Kartenwerken in dieser Form ge-
schrieben. In der Anich-Karte von 1774 ist
für den Bereich der heutigen Oberstalleralm
der Name Arnthaler A. (= Alm) angeführt
(1545
Aherntal
= Ahorntal – laut dem Tiro-
ler Namensforscher Karl Finsterwalder
eine Parallele zum romanischen Namen fürs
gesamte Tal
filgrâttn
– Ton auf â – oder gar
eine gewollte Übersetzung von romanisch
valle
„Tal“ und
acre
„Ahorn“, urkundlich
1187
Valcratto
). In einer Tiroler Militärkarte
von 1823 steht Oberstaller B. (= Bach).
Der alte, einheimische Name
Stolla
hat
aber mit „Stall“ überhaupt nichts zu tun.
Hintner erwähnte in seiner Schrift „Gsieser
Namen“ 1909 unter dem Stichwort
Stollach
nach einigen Bezeichnungen für Bergwie-
sen, Felder (= Stück), Äcker und Waldteile:
„das Zehent- oder Stollastück, das Khirch
Nummer 9/2001
69. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Hier trafen im Lauf
der Geschichte Kelten,
Romanen, Slawen und
Bajuwaren aufeinander
und lebten nebeneinan-
der – und sie vermisch-
ten sich. Eine Fülle von
Namen und Bezeich-
nungen aus den „alten“
Sprachen sind von den
Talgründen bis hinauf
auf die Bergeshöhen
überliefert.
Die oberste Schicht in
der Namengebung ist
die bairische. Mit der
alpenromanischen, die
viele vorrömische (kelti-
sche u. a.) Begriffe ent-
hält, und der slawischen
Schicht (in der Defereg-
ger Nachbarschaft) bil-
den Orts- und Flurna-
men ein vielmaschiges
Netz. Je zahlreicher die
Bevölkerung anwuchs,
je mehr Land genutzt
wurde, je mannigfaltiger sich die Besitz-
verhältnisse gestalteten, umso dichter
wurde dieses Netz von Namen. Jeder nutz-
bare Fleck des Bodens, nicht nur Feld und
Acker um Haus und Hof, sondern vom Tal-
grund bis auf die Grate hinauf wurden
„Grundstücke“ nach besonderen Kennzei-
chen und Merkmalen, aber auch nach dem
Eigentümer benannt. Jeder Weideplatz
hatte eine charakteristische Bezeichnung,
jeder Waldteil, jede Bergwiese. Und Gipfel,
Kämme und Übergänge, Bäche und Seen,
Gräben und Rücken, Kare und Terrassen
etc. erhielten „passende“ Namen (zur
Orientierung!). Aus diesen alten Bezeich-
nungen lässt sich ein Bild des Landes in frü-
heren Zeiten gewinnen, die Orts- und Flur-
namen sind eine überaus reiche Quelle für
die Geschichte der Besiedlung und Kulti-
vierung unserer Heimat, sie stellen faszi-
nierendes Kulturgut dar, vielfach in prähis-
torischer Zeit geprägt, von Volk zu Volk
Anton Draxl
Aus der Schatztruhe alter Namen zwischen
Villgraten, Gsies und Defereggen
Sennerinnen und „Hietepuibm“ (Hirtenbuben) im Sommer 1932 auf Alfen. Die
Almhütten von links: Tschoggla, Egga, Jägera, Senfta, Maxa (damals noch Stall,
erst später zu einer „Kaser“ ausgebaut), Ruschlete (der First ist zu sehen).
Foto: Josef Wasicek, Wien
weitergegeben, von Generation zu Genera-
tion gebraucht und auch lautlich abgewan-
delt, dass sich ihre Bedeutung allenthalben
verdunkelte. – Diese alten und uralten
Namen sind kostbare „Urkunden“ unserer
Vorfahren in der alpinen Natur- und Kul-
turlandschaft Tirols.
Ein geheimnisvoller, uralter Name ist
Gumriaul
. Es gibt ihn zwischen Villgraten
und Winnebach und zwischen Winkeltal
und Burger Tal – er bedeutet ein steiniges
Weidegelände, von keltisch
combros
„Ge-
röll“ mit der romanischen Nachsilbe
-ule
,
die eine Menge bedeutet. Auf keltisch
bo-
duos
oder
bodio
„rötlich-gelb“ geht der
Name des Gsieser Talbaches, urkundlich
974
Pudi
o, zurück: bei Gewittern färbt sich
der
Püding
rötlich (Schreibung nach Va-
lentin Hintner, er nennt ihn einen ausge-
sprochenen „Rotbach“, wie es kaum einen
in Tirol gibt), wenn etwa vom Rotlahner
Muren abgehen und das feine Material vom