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Nummer 5/2002
70. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Meinrad Pizzinini
Mag. art. Dr. phil. Georg Reitter
Eine Gratulation zum 80. Geburtstag des Künstlers und Kunstpädagogen
Überblickt man das bisherige,
Jahrzehnte währende künstleri-
sche Schaffen von Georg Reit-
ter, so ist man nicht nur vom
Umfang des Oeuvres, sondern
vor allem auch von der Vielfalt
der angewandten Techniken
und damit auch der künstleri-
schen Ausdrucksmöglichkeiten
fasziniert. Reitter ist nicht ein
Künstler, der sich auf eine ein-
zige Ausdrucksweise festgelegt
hätte, seine Wege zur Kunst
spielen sich vielmehr in einer
begnadeten Bandbreite ab, die in
der Lage ist, dem Menschen im
Alltag „Hilfestellung“ zu leisten.
Diese Vielfalt auf verschiede-
nen Gebieten erklärt sich aus
Reitters persönlichem Werde-
gang. Künstlerisches Talent als
Voraussetzung
wirksamen
Schaffens wurde ihm bereits in
die Wiege gelegt. Er kam am 21.
Mai 1922 in Steyr (OÖ) zur Welt
und sein Vater Jörg, ausgebildet als akade-
mischer Maler, Grafiker und Kunstpäda-
goge, zählte zu den anerkannten oberöster-
reichischen Künstlerpersönlichkeiten der
Zwischenkriegszeit. Es war das tätige Bei-
spiel des Künstlervaters, das im Sohn das
Interesse an der Kunst an sich und an der
Kunstgeschichte förderte.
Professor Jörg Reitter hat trotz eines ver-
hältnismäßig kurzen Kunstschaffens – er
kam durch die Bomben des Zweiten Welt-
kriegs ums Leben – ein umfangreiches Ge-
samtwerk hinterlassen. In späteren Jahren
sollte sein Sohn Georg den künstlerischen
Nachlass des Vaters mit Sorgfalt und Kom-
petenz betreuen und eine große Gedächt-
nisausstellung im Oberösterreichischen
Landesmuseum in Linz (1975) organisieren
und auch eine Monografie herausbringen.
Nach der Matura in Steyr (1940) konnte
sich Georg Reitter jedoch noch nicht
seiner geradezu vorprogrammierten Lauf-
bahn bzw. Ausbildung widmen, sondern er
musste von 1940 bis 1945 Kriegsdienst, Ver-
wundungen und amerikanische Gefangen-
schaft mitmachen. Er war in verschiedenen
Verwendungen vom „berittenen Funker“ bis
zum Leutnant d. R. und gegen Kriegsende
noch als Batterieführer und Abteilungs-
Adjutant eingesetzt. Dann endlich konnte er
sich voll auf seinen Beruf vorbereiten.
Nach den bitteren Kriegserlebnissen ist
es verständlich, dass Georg Reitter Ge-
borgenheit und Ruhe suchte und sich rela-
tiv jung verehelichte (1945). Seine Ge-
mahlin Edeltraud hat die Kinder Hansjörg,
Ulrike und Claudia zur Welt gebracht und
das künstlerische Werk des Gatten durch
Jahrzehnte begleitet und gefördert. Dafür
gebührt ihr ein kräftiger Dank.
Georg Reitter begann ein Doppelstudium
an der Akademie der bildenden Künste in
Richtung Lehramt und an der Universität
Wien (Volkskunde, Kunstgeschichte). Zu
den Professoren, die Reitters Schaffen nach-
haltig prägten, zählte auch der berühmte
Herbert Böckl. Im Jahr 1949 legte er die
Lehramtsprüfung in Bildnerischer Erzie-
hung, Werkerziehung und Geschichte ab
und war von nun an bis 1982 als Kunst-
pädagoge im Bundesdienst tätig, zunächst
am Bundesrealgymnasium in Steyr, von
1950 bis 1964 am Lienzer Gym-
nasium. Dabei wurden nicht
bloß die aus dem Akademiestu-
dium erhaltenen Kenntnisse pä-
dagogisch vermittelt, sondern
auch die Erfahrungen aus der ei-
genen gestalterischen Praxis auf
allen Gebieten der Malerei und
Grafik. Die „berufliche Teilung“
in kunstpädagogische und eigen-
schöpferisch-bildnerische Ar-
beit empfand Reitter nie als Dis-
krepanz, sondern als sinnvolle
Ergänzung und gegenseitige Be-
fruchtung. Dies hat auch bei den
Schülern – wozu sich der Autor
dieses Beitrages zählen darf –
den beliebten Unterricht nur be-
reichert und sich in einer Vielsei-
tigkeit mit dem Schwerpunkt der
Werkarbeit geäußert.
Um noch das Studium an der
Universität Wien weiter zu ver-
folgen: Man lernt hier eine neue
Seite von Reitters Schaffen ken-
nen, die Seite der Wissenschaft. Als Ergeb-
nis umfangreicher Archiv- und Feldfor-
schungen legte er seine Dissertation über die
gotische Wallfahrtskirche St. Chrysanthen
in der Gemeinde Nikolsdorf vor. Im Jahr
1962 promovierte Reitter zum Dr. phil. an
der Universität Wien „sub auspiciis praesi-
dentis rei publicae“, was bedeutet, dass von
der Gymnasium-Oberstufe bis zur Disserta-
tion alle Prüfungen mit Auszeichnung ab-
gelegt worden sind. Mit seiner volkskund-
lich-kunsthistorischen Dissertation lieferte
er den Nachweis präziser wissenschaftlicher
Tätigkeit. Die Arbeit erschien 1976 in Inns-
bruck als Band 266 der „Schlern-Schriften“.
Nach 15 Jahren bildnerischen Unterrich-
tes an der AHS erteilte Georg Reitter durch
18 Jahre Fachunterricht an der Höheren
Technischen Lehranstalt in Linz in der
Abteilung
Gebrauchsgraphik/Graphic
Design. – Seit dem Übertritt in den Ruhes-
tand (1982) übt Reitter eine völlig freie,
fruchtbare und reichhaltige künstlerische
Tätigkeit aus. Als zweites Domizil neben
Steyr errichtete sich Professor Reitter in
Oberlienz ein Eigenheim und kehrte damit
Prof. Dr. Georg Reitter, ein ausgesprochen musischer und kul-
tivierter Mensch, ist nicht nur in der bildenden Kunst „zu
Hause“, sondern pflegt auch die Musik auf hohem Niveau.