Seite 9 - VO_2012_29

Basic HTML-Version

9
Oberkärntner
VOlltreffer
16. Juli 2012
CHrOnik
Nachhilfe-Boom: „Nicht genügend“
für Schüler oder für das Schulsystem?
107 Millionen Euro gaben Eltern im Jahr 2011 für Nachhilfestunden aus. Dafür, dass ihre Kinder das, was ihnen in
der Schule nicht beigebracht wurde, doch irgendwie erlernen.
Es ist ein gutes Geschäft –
für diejenigen, die vom Ver-
sagen der Schule pro tieren.
Am privaten Nachhilfemarkt,
der Hilfsschule quasi, neben der
eigentlichen Schule, die ihren
Job nicht macht. Da sich dies
viele Eltern nicht mehr leisten
können, übernehmen sie häu-
g selbst diese Aufgabe. In der
Volksschule lernen neun von
zehn Eltern mit den Kindern, in
der Oberstufe immerhin noch
vier von zehn.
Zusatzbelastung
27 Prozent aller Schüler –
das sind etwa 265.000 Kinder
– brauchen laut einer Studie der
Arbeiterkammer (AK) Nachhil-
fe. 77 Prozent aller Eltern müs-
sen ihren Kindern bei Hausauf-
gaben helfen oder mit ihnen für
Schularbeiten und Tests lernen.
In der Volksschule lernen neun
von zehn Eltern mit den Kin-
dern, in der Oberstufe immerhin
noch vier von zehn Eltern. Das
entspricht in etwa den Zahlen
des Vorjahrs. Dennoch sinken
dieAusgaben für Nachhilfe. Das
liegt hauptsächlich daran, dass
sich vor allem wenig verdienen-
de Eltern diese Zusatzbelastung
kaum mehr leisten könnten. Von
den Eltern, die ein monatliches
Haushaltseinkommen von bis zu
1.300 Euro netto haben, fühlen
sich zwei Drittel durch Ausga-
ben für Nachhilfe „extrem be-
lastet“ – 2011 war es nur ein
Viertel. Sie nehmen kostenlose
Angebote in Anspruch oder en-
gagieren günstige Nachhilfeleh-
rer aus den Bekannten- und Ver-
wandtenkreis. Doch nicht alle
Kinder, die Nachhilfe benötigen
würden, bekommen diese auch.
So müssen etwa 60.000 Schüler
ohne Hilfe auskommen. Gespart
wird auch bei Sprachferien oder
Lerncamps.
Positiver Effekt durch
Neue Mittelschule
Einen positiven Effekt zeigt
die Neue Mittelschule. Hier
müssen Eltern mit 482 Euro pro
Kind und Jahr wesentlich weni-
ger ausgeben als im Gymnasi-
um, wo die jährliche Ausgabe
668 Euro beträgt. Des Weiteren
schneiden die Schüler von vorn-
herein besser ab: Nur 17 Prozent
lernen für eine Nachprüfung
oder um eine negative Note zu
verhindern, im Gymnasium sind
es schon 34 Prozent. Gegenüber
der Hauptschule, die von der
NMS mittelfristig abgelöst wer-
den soll, sind die Vorteile zwar
auch vorhanden, aber deutlich
geringer:
Hauptschul-Eltern
geben jährlich 528 Euro pro
Kind für Nachhilfe aus und
müssen nur etwas öfter mit
den Kindern lernen als an
der NMS. Günstig wirken
sich ganztägige Schul-
formen aus, weshalb
die Arbeiterkammer
eine rasche und drin-
gende Umsetzung
einer einheitlichen
Mittelstufe, mehr
Unterricht in Klein-
gruppen sowie eine
bessere individu-
elle Betreuung der
Kinder fordert. Da-
mit kann auch die
Notwendigkeit für
Nachhilfe
gerin-
ger gehalten und im
Interesse der Eltern gehandelt
werden.
Abenteuer Lernen
Gemeinsam mit „Kärnten
aktiv“ veranstaltet das Landes-
jugendreferat Kärnten bereits
zum dritten Mal die Som-
merlerncamps unter
dem Motto „Aben-
teuer Lernen“.
„In vier Re-
gionen bieten
wir auch heu-
er Schülern
von zehn bis
14 Jah-
ren die
M ö g -
lichkeit
i h r e
Kenntnisse in den Gegenständen
Englisch, Deutsch und Mathe-
matik aufzufrischen und dabei
auch Spaß und Action zu erle-
ben“, so Bildungs- und Jugend-
referent LH-Stv. Uwe Scheuch.
In diesem Jahr nden die
Sommerlerncamps auf der Ger-
litzen (Mathematik, Englisch),
in Friesach (Mathematik, Eng-
lisch), im Vital Camp Seeboden
(Mathematik, Englisch) und in
Kötschach-Mauthen (Englisch)
statt. Gewählt werden kann zwi-
schen den Terminen 12. bis 17.
August oder von 19. bis 24.
August.
Durch die Unterstützung des
Jugendreferenten und des Lan-
desjugendreferates beträgt die
Teilnahmegebühr je nach Desti-
nation zwischen 232 und 246,50
Euro. Darin enthalten sind
Lerneinheiten, Nächtigung, Ver-
p egung, Transfers vor Ort und
das gesamte Programm. Infos:
www.jugend.ktn.gv.at oder auf
www.kaernten-aktiv.at
Natalie Schönegger
Nicht vor allen Schülern liegt ein unbeschwerter Sommer.
Bist oder warst du selbst schon mal von einer Wiederholungsprüfung
betroffen? Wie bereitet man sich deiner Meinung nach am besten darauf
vor, wie kann man teurer Nachhilfe entgegenwirken?
Arnold Petutschnig
(44), Spittal:
Ich persönlich
denke, dass unse-
re Gesellschaft so
kompliziert gewor-
den ist, dass Kin-
der das Erbe der
Schwere in die Wiege gelegt
bekommen. Sie müssen funktio-
nieren, ob sie wollen oder nicht.
Darunter leidet ihr Vertrauen und
die Basis ihrer Wahrnehmung,
um die immer mehr werdenden
Informationen verarbeiten zu
können. Das Resultat sind dann
die enormen Gelder, die natür-
lich zum Wohl der Kinder, in die
Nachhilfe investiert werden. Der
Schlüssel liegt in der Lebensfreu-
de und dem Vertrauen, um die
fehlende Basis in spielerischer
Form Kindern wieder zu vermit-
teln. Hier gilt es, anzusetzen, da-
mit Kinder erst gar nicht in die
Situation einer Nachprüfung
kommen.
Natalie
Granegger
(23), Spittal:
Für eine Wie-
derholungs-
prüfung ist es
meiner Mei-
nung nach sehr
hilfreich, Lern-
gruppen zu bil-
den. Durch den
Zusammenhalt
in der Gruppe
ist es für die Betroffenen leich-
ter, sich mit der Materie zu be-
schäftigen, gemeinsam an einer
Lösung zu arbeiten und das un-
abhängig vom Lernfortschritt der
Gruppenmitglieder. Dieser
Effekt kommt zustande, wenn in
der Gruppe, mit der Gruppe und
im Endeffekt für die Gruppe die
jeweiligen Defizite ausgearbei-
tet und behoben werden, wobei
selbstständiges Arbeiten der
einzelnen Gruppenmitglieder
hervorzuheben ist.
Joschi Peharz (40),
Mühldorf:
Um der Nachhilfe,
die jährlich Un-
mengen an Kosten
für Eltern bedeu-
tet, entgegenzu-
wirken, muss mei-
ner Meinung nach
das Schulsystem in Frage ge-
stellt werden. In diesem Bereich
ist nämlich ein großer Bedarf an
Veränderung gegeben: Anstelle
des Frontalunterrichts, der nach
wie vor in zahlreichen Schulen
im Mittelpunkt steht und das
Schlimmste für Kinder ist, sollte
diesen der Lernstoff spielerisch
beigebracht werden. Im Hin-
blick auf die Tatsache, dass Kin-
der Bewegung brauchen, sollte
dieses Bedürfnis spannend mit
dem Lernen kombiniert werden.
Letztendlich tragen die Kinder
am wenigsten Schuld bei der An-
zahl der „benötigten“ Nachhilfe,
sondern das Schulsystem.
t