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Oberkärntner
Volltreffer
2. Juli 2012
CHRONIK
„Knochenbrecher“ Glocknerlady und Inge
bekamen neues Zuhause
Die Wiederansiedelung des Bartgeiers ist eines der erfolgreichsten Artenschutzprojekte im Nationalpark Hohe
Tauern und ein wichtiger Beitrag für die Vielfalt der Tierwelt in den Alpen. Zwei junge Bartgeier wurden im Heili-
genbluter Fleißtal freigelassen.
„Unsere prächtigen Bartgeier
sind schon zum Markenzeichen
des Nationalparks Hohe Tauern
geworden, ich bin sehr stolz auf
den großen Erfolg dieses Pro-
jektes!“, erklärte Nationalpark-
referent Scheuch bei der fünften
Bartgeier-Freilassung in Heili-
genblut. Beide Junggeier stam-
men aus Andalusien in Spanien.
Sie befinden sich nun in freier
Wildbahn und können in ihrem
Horst täglich bis Ende August
beobachtet werden. Am Fuß des
Freilassungsplatzes wurde ein
betreuter
Beobachtungsstand
eingerichtet. Bis Ende August
wird jeden Mittwoch eine ge-
führte Wanderung vom Schareck
ins Fleißtal angeboten (Anmel-
dungen bis zum Vortag unter
04784/701). So kann man das
Heranwachsen der beiden Jung-
vögel, die ersten Flugversuche
bis hin zum endgültigen Verlas-
sen des Horstes miterleben. Be-
vor die beiden als Nestlinge in
ihren Horst kamen, wurden Flü-
gel- und Schwanzfedern an der
Unterseite gebleicht, um sie bis
zur ersten Vollmauser nach drei
Jahren leicht zu erkennen.
Bartgeierprojekt
Der Bartgeier war einst in fast
allen Gebirgen Südeuropas und
in den Alpen ver-
breitet. Wohl kaum
ein Greifvogel be-
eindruckte die Men-
schen so nachhaltig,
wie zahlreiche Fabeln
und Legenden zeigen.
Der friedliche Bart-
geier wurde als blut-
rünstige Bestie dar-
gestellt, welche sogar
vor Kindesraub nicht
zurückschreckte. Dem
Bartgeier wurde zu
Unrecht auch das Tö-
ten von Gämsen und
der Raub von Läm-
mern zugeschrieben,
was auch zu seinem
volkstümlichen Na-
men
„Gamsgeier“
und „Lämmergeier“
führte. Die Bezah-
lung von Fang- und
Schussgeldern führte
dazu, dass die Tiere
auf jede nur mögliche
Art und Weise verfolgt wurden.
In den Alpen wurde der Bart­geier
im Verlaufe des 19. Jahrhunderts
ausgerottet. Nach mühe­voller
und langwieriger Suche von ge-
eignetem Zuchtmaterial ist es
dem Alpenzoo Innsbruck unter
dem damaligen Direktor Dr. Hel-
mut Pechlaner gelungen, die er-
sten Bartgeier mit Hilfe eines
Ammenvogels in einer Voliere
aufzuziehen. Dieser Erfolg des
Alpenzoos Innsbruck war der
Grundstein des Bartgeier-Pro-
jektes und damit ein wesentlicher
Beitrag für eines der bedeu-
tendsten
Artenschutzprojekte.
Nur Tiere aus zoologischen Gär-
ten und verletzte Tiere aus dem
Freiland, deren Freilassung nicht
mehr möglich ist, werden in das
Zuchtprogramm integriert. Für
die Freilassung werden ebenfalls
nur in Volieren geborene Jung­
vögel verwendet. Eine internatio-
nale Expertenkommission wähl-
te im Alpenraum vier gleich weit
voneinander entfernte Freilas-
sungsorte aus. Insgesamt wurden
bisher 170 Tiere alpenweit aus-
gewildert, 53 im Nationalpark
Hohe Tauern. Die ersten Frei-
lassungen erfolgten im Rauriser
Krumltal, ab dem Jahr 2000 auch
im Kärntner Seebachtal/Mall-
nitz, im Osttiroler Innergschlöß,
im Gasteiner Anlauftal, im Ha-
bachtal, in Kals und im Bereich
Glocknerstraße in der Gemeinde
Rauris.
Brut-Erfolg
2001 erfolgte in Heiligenblut
die erste Bartgeierbrut in Öster-
reich, leider ohne Erfolg. Ein
weiteres Paar brütete seit 2003
zuerst erfolglos in Gastein,
seit 2008 in Rauris. Am 17.
Juli 2010 wurde mit „Kruml“
der erste im Freiland geborene
Bartgeier in Österreich flügge.
Einen weiteren Bruterfolg gab
es 2011, ebenfalls in Rauris.
Seit 2010 brütet ein zusätzliches
Paar in Kärnten. Nach zwei er-
sten erfolglosen Brutversuchen
sitzt heuer ein inzwischen drei
Monate alter Jungvogel in sei-
nem Horst. Der erste Kärntner
Junggeier seit 1880 wird Ende
Juli zu seinem Jungfernflug
starten.
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Bartgeierbetreuer Michael Knollseisen mit
„Glocknerlady“.
Foto: NPHT/Daniel Zupanc
Der Bartgeier ist wohl die
prächtigste Geierart und mit
einer Flügelspannweite bis zu
2,85 Metern der größte Greif-
vogel in den Alpen. Mit dieser
großen Flügelspannweite ist er
natürlich ein hervorragender
Segler. Bartgeier bewohnen die
Gebirgsregionen
vorwiegend
oberhalb der Waldgrenze. Sie
leben in riesigen Revieren (100 –
750 km²), die sie gegen Artgenos-
sen verteidigen. Die Horste wer-
den in Felsnischen angelegt. Die
Brutzeit fällt in den Hochwinter.
Zumeist werden zwei Eier im
Abstand von vier bis fünf Tagen
in den gut ausgepolsterten Horst
gelegt. Nach einer Brutdauer
von ca. 54 Tagen schlüpfen die
beiden Jungen, aufgezogen wird
jedoch immer nur eins. Da das
erstgeschlüpfte Junge sich ag-
gressiv gegenüber dem Jüngeren
verhält und es vom Futter ver-
drängt, stirbt dieses nach kurzer
Zeit (Kainismus). Somit stellt das
zweite Ei nur eine biologische
Reserve dar, falls das erste Junge
kränklich ist oder nach dem
Schlupf stirbt. Sowohl beim Brü-
ten als auch bei der Aufzucht
des Jungen wechseln sich beide
Elternteile ab. Grund für die
ungewöhnliche Brutzeit ist das
reichliche Nahrungsangebot in
der Zeit der Jungenaufzucht: Im
Frühjahr sind zahlreiche imWin-
ter verendete oder durch Lawi-
nen umgekommene Wildtiere im
schmelzenden Schnee zu finden.
Nach etwa 116 Tagen so zwi-
schen Mitte Juni und Mitte Juli
startet das Bartgeierjunge seinen
Erstflug. Für einige Wochen wird
es von den Eltern noch weiter
mit Futter versorgt.
Bartgeier sind Aasfresser und
verwerten vor allem das, was an-
dere Aasfresser übriglassen. Bis
zu 80 % der Nahrung besteht aus
Knochen, Sehnen und Bändern.
Knochen erscheinen auf den
­ersten Blick als wenig nahrhaft,
enthalten aber genausoviel En-
ergie wie Fleisch. Nur Bartgeier
sind durch ihren leistungsstarken
Verdauungsapparat und Magen-
säfte imstande, die enthaltenen
Nährstoffe auch zu nutzen. Zum
Verschlingen dieser sperrigen
Beute ist ihr Schlund besonders
dehnbar. Zu große Knochen wer-
den mit den Fängen hoch in die
Luft getragen und auf schräge
Felsplatten abgeworfen, auf der
sie zersplittern – deshalb auch
der Name „Knochenbrecher“.