Seite 6 - H_2005_04-05

Basic HTML-Version

chende Adressbuch erhalten geblieben
sind.
Das Hauptbuch umfasst den Zeitraum
von Dezember 1915 bis Juni 1933 und hat
auf 493 Seiten die Geschäftsgebarung aus-
gewiesen. Das Adressbuch enthält alphabe-
tisch geordnet die Anschriften der Ge-
schäftspartner und hat bei allen Buchstaben
noch reichlich Platz für Neue, was schlie-
ßen lässt, dass es wahrscheinlich in Linz-
Domzˇale kein zweites gegeben hat.
Während im Hauptbuch die inneröster-
reichischen Handelspartner zum Großteil
identisch sind mit den Aufgelisteten im
Adressbuch, fehlen sie im angrenzenden
Reichsgebiet Böhmen, Mähren und im
südslawischen Raume. Im Hauptbuch
sind „Zugewinne“ verzeichnet, wie: Mün-
chen, Frankfurt a. M., Brüssel, Krefeld,
Stuttgart, Tuttlingen.
Mein Augenmerk gilt der Frage, wie die
Erzeugnisse aus den Fabriken in Domzˇale,
Wels und Linz, aber auch zugekaufte Han-
delsgüter zu den Endverbrauchern gekom-
men sind.
Der Verkauf in den firmeneigenen Ge-
schäften in Wels, Linz und Salzburg kann
nur ein geringer Teil des Absatzes gewesen
sein.
Es war der Reisende, der die Produkti-
onspalette von Stroh- und Filzhüten,
Decken, Tuchen, Seidenwaren etc. zu den
Gemischtwarenhändlern in den Dörfern,
Märkten sowie den Fachgeschäften in den
Städten brachte.
17
Über die Arbeit der „Reisenden“ gibt
das Journal Auskunft, wo sie Geschäfte
anbahnten und pflegten; mit den Gebrüder
Kröll, Karg & Co., Steiner und Adelsberg
in Wien gab es z. B. 74 Geschäftsab-
schlüsse.
18
Die Auftragssummen bewegten
sich vor 1920/21 im Durchschnitt zwi-
schen 100 und 1.500 Kronen, nur verein-
zelt waren es größere Beträge. Zurzeit der
Inflationsjahre 1921 bis 1924 waren es
Millionen Kronen, die auf die Hand be-
zahlt werden mussten, und ab Dezember
1924 bringt die Schillingwährung nur noch
Auftragswerte ein, die zwischen 20 und
400 S liegen, selten mehr, was durch eine
auffallend rege Reisetätigkeit 1925 wettge-
macht werden sollte.
Es gab aber auch vor 1915 in den an-
grenzenden Reichsgebieten viele Handels-
partner, die imAdressbuch ersichtlich wer-
den.
19
Der Reisende hat sich bis in die Gegen-
wart bewährt. Er ist heute wie damals ein
wichtiger Warenvermittler zwischen Er-
zeuger und Detailgeschäft. Zeitgemäß sind
dazugekommen die Produktmappen und
ganz jung das Internet. Große Handelshäu-
ser liefern die umfangreichen Warenange-
bote mittels Katalogen in die Haushalte.
Das Adressbuch vermerkt auch Ge-
schäftspartner, von denen Materialien für
die diversen Erzeugnisse der Firma
GEBRÜDER KURZTHALER gekauft
werden konnten: Bänder, Samte, Seiden,
Crepe de Chine, Blumen Georgette,
Schmuckfedern, Blumen, Flaggenbänder,
Gamsbärte, Gamsbarthülsen, Gestecke
aus Federn, Ziernadeln, Abzeichen, Taft,
Leder, Schnüre für Herren- und Knaben-
OSTTIROLER
NUMMER 4-5/2005
6
HEIMATBLÄTTER
Wohn-
und
Ge-
schäfts-
haus
der Ge-
brüder
Kurz-
thaler,
Haupt-
platz
32 in
Linz,
früher
Franz
Josef-
platz
13.
Foto:
Bar-
bara
Kurz-
thaler
hüte, Damen-Stroh-, und Filzhüte, Herren-
Filzhüte, Frustianhüte für Damen und Kin-
der, Lederhüte, Panama aus London und
Wien (Panamahüte aus sehr feinem Stroh
hergestellt und sündteuer), Vystha-Hüte
aus Florenz von Bruggiser & Ci.
Zu diesen Darlegungen über Erzeugung,
Zukauf und Vertrieb durch die GEBRÜ-
DER KURZTHALER lässt sich sagen,
ohne wesentliche Irrtümer zu begehen,
dass die Verkaufspraktiken der eigenen
Erzeugnisse wie auch der Zukauf von
Grundstoffen, Halbfertig- und Fertigwaren
bei den Konkurrenzfirmen Mellitzer-
Kleinlercher, Ladstätter, Oberwalder, die
auch in Krain Fabriken hatten, einander
ähnlich gewesen sein müssen, ihre speziel-
len Absatzgebiete bereisen ließen und
durch Gründung von Filialen in Ungarn,
Böhmen, Wien, Wels, … den Ertrag stei-
gern konnten, was – neidlos festgehalten –
Vater und Sohn Chrysanth Ladstätter meis-
terhaft gelungen ist.
Viktor Pogatschnig liefert uns in seinem
Bericht auch Einblicke in die Strohhutpro-
duktion im Raum Domzˇale, die aus heuti-
ger Sicht bemerkenswert sind, u. a.: 1875
hatten in den Strohhutzentren um Domzˇale-
Mannsburg 12.000 Männer und Frauen
Verdienst. 1880 weist die Statistik eine Pro-
duktion von einer Million Strohhüte aus.
In einem oberkrainischen Betrieb ver-
diente 1891 der Presser 1,20 fl (= Gulden),
Färber 80 kr (= Kreuzer), Bleicher 90 kr,
Geflechtsbürster 60 kr, Formmacher 1,30
fl, Auszieher 80 kr bis 1 fl, Maschinnähe-
rin 80 kr bis 1 fl, Handnäherin 40 bis 50 kr,
Geflechtsbinderin ebensoviel, Appreteurin
60 kr, für den Arbeitstag! (1 fl = 100 kr)
Der Zufall liefert uns im Folgeblatt der
Lienzer Zeitung von 1893 eine Annonce
für „Speck frisch geräuchert, liefert 5 Kilo
gegen Nachnahme ohne weitere Spesen
um fl. 3,50 H. Kasparek in Kusnak, Mäh-
ren“. Dieses Angebot ermöglicht einen
„beschränkten“ Preisvergleich von Ware
und Arbeit.
20
Wo stand die Wiege der Kurzthaler?
Mit der Antwort auf diese Frage schließe
ich den heimatkundlichen Beitrag zu den
Hausierern und Fabrikanten „Gebrüder
Kurzthaler“.
Der erste erfassbare Kurzthaler heißt
Peter und ist 1654/55 bei der Anlage der
Kanonischen Bücher im Vikariat St. Veit
i. D. durch Vikar Erspanner ohne Angabe
von Geburts- und Sterbejahr eingetragen.
Das „Kurztàll“ dürfte sein Besitz gewesen
sein. Der Hof liegt am südlichen Ausgang
eines kurzen nacheiszeitlichen Trogtales,
das durch den Einschnitt des „Talbaches“ in
dieser Form entstanden ist und dem Besit-
zer den Hofnamen und mit ihm den Fami-
liennamen „Kurzthaler“ eingebracht hat.
21
1723 verkauft ein Nachkomme mit
Namen Peter das Gut an Urban Prast und
Söhne, deren Nachkommen den Hof als
„Erbhof“ heute noch besitzen und bewirt-
schaften. (Tiroler Erbhofbuch S. 354)
Die Vorfahren der GEBRÜDER KURZ-
THALER stammen jedoch von Außeregg
in St. Veit und sind Nachkommen von
Valentin Kurzthaler – ein Sohn von Peter.
Wann Valentin in Außeregg Besitz erwor-
ben hat, war nicht zu finden. Sein Sohn
Peter, geb. 1697, ist im Besitz des Hanser-