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Kochsalz – mit der chemischen
Formel NaCl (Natriumchlorid) –,
meistens landläufig einfach als
„Salz“ bezeichnet, spielt als Nah-
rungs- und Würzmittel für die
Menschheit seit jeher eine große
Rolle. Seine Bestandteile, Natrium
und Chlor, sind wichtige Körperbau-
steine. Das Bedürfnis des Menschen
nach Salz scheint auch mit der Auf-
nahme pflanzlicher Nahrung in
engem Zusammenhang zu stehen.
Schon in prähistorischer Zeit sind die
Menschen darauf gekommen, dass es
im Meerwasser enthalten ist und als
„Steinsalz“ auch in Salzlagern in den
Bergen, wo es durch Auslaugen des
geförderten Gesteins (Sole) gewon-
nen wird. – Mehrere Salzvorkommen
und -lagerstätten befinden sich im
nördlichen Alpenbereich zwischen
Hall in Tirol und Heiligenkreuz. Zu den be-
kanntesten „Salzorten“ zählen Hall i. T.,
Berchtesgaden, Hallein und Hallstatt.
Das Recht auf Salzgewinnung stand den
Fürsten zu, die es als ergiebige Geldquelle
nutzten. Daher sind allgemein, nicht nur in
Tirol, für frühere Jahrhunderte Bestrebungen
zur Monopolisierung von Salzerzeugung
und Salzhandel festzustellen. Bezogen auf
Tirol in seinen historischen Grenzen, auf die
alte Grafschaft Tirol, wie sie seit der Zeit
Kaiser Maximilians I. bestand, ist die Tat-
sache des Monopols im Salzhandel jedoch
durch lange Zeit nicht durchgehend ge-
geben. Eine Sonderstellung haben die Ge-
richte Kufstein, Rattenberg und Kitzbühel
im Nordtiroler Unterland und die Herrschaft
Lienz im östlichen Pustertal durch Jahrhun-
derte eingenommen, bis der absolutistische
Staat mit seinen merkantilistischen Bestre-
bungen diese Besonderheit beseitigt und
eine Vereinheitlichung herbeigeführt hat.
Konkret handelte es sich um das Einfuhrver-
bot für Salz aus Bayern und Salzburg, also
aus dem Ausland, und den Zwang zur Ein-
fuhr des einheimischen, tirolischen Salzes.
1
Die Sonderstellung, die die angeführten
Bereiche genossen, ist historisch leicht zu
erklären: Die Nordtiroler Gerichtsbezirke
standen ursprünglich unter bayerischer Ver-
waltung und kamen erst 1504 bzw. 1506 zu
Tirol. Hier führte man traditionellerweise
hauptsächlich das bayerische Salz ein.
2
– In
die Herrschaft Lienz, nach demAussterben
der Grafen von Görz im Jahr 1500 mit Tirol
vereinigt, wurde seit jeher das salzburgi-
sche – wohl aus Hallein stammende – Salz
über den Felber- bzw. Kalser Tauern impor-
tiert. Selbstverständlich sind Parallelen zum
Unterinntal gegeben, jedoch unter poli-
tisch, verwaltungsmäßig und wirtschaftlich
anders gelagerten Voraussetzungen.
Die verwaltungspolitische und verkehrs-
geographische Situation der angesproche-
nen Region kann in folgender Weise cha-
rakterisiert werden: Die Herrschaft Lienz
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liegt südlich des Alpenhauptkammes im öst-
lichen Pustertal. Zur Herrschaft vom Rang
eines Landgerichtes mit hoher Gerichtsbar-
keit gehörten die Niedergerichte Lienzer
Klause, Kals, Virgen mit dem innersten Teil
des Defereggentales und das Stadtgericht
Lienz. Im Jahr 1653 war die Verwaltung der
Herrschaft Lienz vom Tiroler Landesfürsten
Erzherzog Ferdinand Karl dem Königlichen
Damenstift in Hall im Inntal übertragen
worden. Während die Herrschaft Lienz mit
den sogenannten Zugerichten zur Graf-
schaft Tirol gehörte, waren die angrenzen-
den bzw. von ihr teils umschlossenen
Gerichte Windisch-Matrei und Leng-
berg Teile des Erzstiftes Salzburg.
Lienz lag im Schnittpunkt zweier
wichtiger Handelswege, in Ost-
West-Richtung über das Pustertal
nach Kärnten und Innerösterreich; in
Nord-Süd-Richtung über den Felber-
und Kalsertauern und weiter über
den Plöckenpass nach Friaul bzw.
über die „Alemagna“ von Toblach
aus in das Gebiet der Republik Vene-
dig. Am meisten frequentiert wurde
der Saumweg aus dem salzburgi-
schen Pinzgau über den Felbertauern
vom 14. bis ins 16. Jahrhundert.
Wenn nun auch die überregionale
Bedeutung des Übergangs nachließ,
spielte dieser doch als lokale Verbin-
dung weiterhin eine große Rolle.
Mag es – wie man bezüglich der
Unterinntaler Gerichte Kufstein, Rat-
tenberg und Kitzbühel weiß – auch in der
Herrschaft Lienz bereits im 17. Jahrhundert
zu monopolistischen Bestrebungen der
Innsbrucker Regierung gekommen sein, sie
haben damals auf jeden Fall keinen Erfolg
gezeitigt. In den zwanziger Jahren des 18.
Jahrhunderts allerdings findet man ernsthafte
Anstrengungen der Regierung vor, das salz-
burgische Salz aus der Herrschaft Lienz zu
verdrängen und durch das tirolische aus Hall
zu ersetzen. Aus einem Schreiben der Regie-
rung vom 3. November 1721, gerichtet an
den Herrschaftsverwalter Johann Sigmund
von Rost in Lienz
4
, geht hervor, dass das Ver-
bot der Einfuhr des Salzburger Salzes kurz
vorher ausgesprochen worden sein muss. Zur
besseren Abwicklung des Salzhandels wird
die Errichtung einer Salzniederlage in Lienz
oder in Niederdorf bzw. in Toblach im Pus-
tertal angekündigt. Der Herrschaftsverwalter
wird beauftragt, den Ausschuss der Herr-
schaft Lienz einzuberufen und diesem
„mit
pflichtschuldigisten Dienst-Euffer“
die Be-
folgung des ergangenen Befehls einzuschär-
fen, dass ausländisches Salz nicht mehr über
den Tauern gebracht werden dürfe. Solches
Salz könne ohne weiteres von der Obrigkeit
konfisziert werden. Auf die Rüge der Regie-
rung
5
hin, dass ein Bericht des Herrschafts-
verwalters noch ausstehe, wird dieser nun
NUMMER 11/2005
73. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Meinrad Pizzinini
Salz aus Hallein oder Hall?
Streit um Salzburger und Tiroler Salz in der Herrschaft Lienz im 18. Jahrhundert
Salzkristalle in der typischen Würfelform, aus dem Haller
Salzberg stammend (Innsbruck, Museum im Zeughaus).
Foto: Meinrad Pizzinini