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OSTTIROLER
NUMMER 9/2006
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HEIMATBLÄTTER
Mit dem Wort „Spital“ verbindet man
heute allgemein „Krankenhaus“, was nicht
zutrifft. Ein Spital war zwar immer als
öffentliche Wohlfahrtseinrichtung gedacht
und bestimmt für Hilfsbedürftige im weites-
ten Sinn, was sich auf Wanderer, Pilger,
Kaufleute usw. ebenso beziehen konnte wie
auf kranke Menschen. Ein Spital (Hospital,
Hospiz, italienisch ospedale) konnte sich
daher auch in einer abgelegenen Gegend be-
finden wie z. B. das Tauernhaus Spital auf
der Nordseite des Übergangs über den
Felbertauern.
Seit dem Hochmittelalter bildeten sich ei-
gene Orden aus wie die Johanniter oder der
Heilig-Geist-Orden, die sich der Armen und
Alten und ihrer Betreuung annahmen. Von
nun an wurde auch durchwegs die zu einem
Spital gehörende Kirche oder Kapelle dem
Heiligen Geist geweiht.
Das Lienzer Bürgerspital – eine
städtische Gründung
Die Situation in Lienz lässt sich in großen
Zügen nachzeichnen: Lienz, eine Gründung
der Grafen von Görz vom Ende des 12.
Jahrhunderts, wird in einer Eintragung des
Bozner Notars Jakob Haas vom 25. Februar
1242 erstmals als „civitas“ („Stadt“) be-
zeichnet.
Eine typische städtische Sozialeinrich-
tung war ein „Spital“, das selbstverständlich
auch im noch jungen Lienz gegründet wor-
den ist. Bezeichnend ist seine Lage, nämlich
außerhalb der Gründungssiedlung, die zu-
nächst bloß den unteren Stadtplatz (Haupt-
platz) umfasst hat. Erst mit der Errichtung
des erweiterten Mauerrings in der zweiten
Hälfte des 15. und zu Beginn des 16. Jahr-
hunderts wurde das Spital mit Kirche in den
engeren Stadtbereich einbezogen. Typisch
ist auch die Situierung des Spitals an einer
Brücke; es ist nachzuweisen, dass die sog.
Spitalsbrücke zwischen 1216 und 1243 er-
richtet worden ist.
Das Lienzer Spital bzw. die dazugehö-
rende Kirche scheint urkundlich zwar erst
im Jahr 1352 auf, womit über das tatsäch-
liche Alter natürlich nichts ausgesagt wird.
Man konnte mit großer Sicherheit anneh-
men, dass die Gründung des Spitals noch im
13. Jahrhundert erfolgt ist; diesbezügliche
Klarheit schuf aber die wissenschaftliche ar-
chäologische Grabung des Bundesdenkmal-
amtes (Bodendenkmalpflege) im Jahr 1992,
die sich auf die Kirche beschränken musste.
Der älteste Bau der Spitalskirche um-
fasste ein Langhaus im Ausmaß von ca. 16
x 10 Metern (innere Weite), an das sich im
Osten ein leicht eingezogener Rundbogen-
chor anschloss. An der Außenseite war der
Chor durch vier Stützpfeiler statisch abge-
sichert. Die Gesamtlänge der Kirche betrug
ca. 23 Meter. Nach dem Grundriss – der im
Prinzip große Ähnlichkeit mit jenem des
Gründungsbaus von St. Michael am Rinder-
mark (Beda Weber-Gasse) aufweist – gehört
der erste Bau der Spitalskirche in die Zeit
gegen Ende des 13. Jahrhunderts. Das mas-
sive Mauerwerk weist darauf hin, dass er –
dem Stil nach gesehen – in die Hochroma-
nik fällt. Aus der Größe der ersten Kirche
darf man auf die Gewichtigkeit dieser sozia-
len Einrichtung schließen, die ihr von der
Stadtführung beigemessen worden ist.
Das Aussehen des Innenraums dürfen wir
uns in folgender Weise vorstellen: offener
Dachstuhl und der halbrunde Chor mit
einem Gewölbe (Concha) ausgestattet.
Dieser Bau besaß noch keinen eigenen Glo-
ckenturm, sondern wohl nur einen Giebel-
bzw. Dachreiter. In einer zweiten Bauphase
wurde dem Schiff an der Nordostecke ein
Turm angebaut. Aus der Struktur des
Mauerwerks lässt sich ablesen, dass er noch
in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts
errichtet worden ist.
Die wirtschaftlichen Grundlagen
des Spitals
Das Bürgerspital war zwar eine städtische
Einrichtung, erhielt aber keine „Subventio-
nen“ im heutigen Sinn, sondern musste sich
selbst erhalten. Zu den wirtschaftlichen
Grundlagen zählte in erster Linie umfang-
reicher Realbesitz in Stadt- und Landgericht
Lienz mit den Gerichten Kals und Virgen,
aber auch noch in Oberkärnten. Die „Grund-
ausstattung“ wuchs durch Stiftungen der Gra-
fen von Görz, des Adels und begüterter Bür-
ger im Lauf der Zeit beträchtlich an. Die Ze-
hente und Abgaben der Freistiftgüter usw.
wurden teils in Geld, teils in Naturalien ent-
richtet, die ohnehin zur Versorgung der Spi-
talsinsassen benötigt wurden. Abgeliefert
wurden hauptsächlich Weizen, Roggen,
Hafer, Gerste, Käse, Hühner, Ferkel, kübel-
weise Milch, Schlachtvieh, Loden usw. Die
Naturalien wurden in einem dafür vorgesehe-
nen Gebäude, „Kasten“ genannt, aufbewahrt.
Beim Spital selbst wurde eine eigene
Landwirtschaft geführt; man verfügte über
Stallungen, Futterhaus, Metzmühle und ent-
sprechendes Personal. Für den gesamten
Besitz und die Gerechtigkeiten wurde ein
detailliertes Verzeichnis („Urbar“) angelegt,
das immer wieder ergänzt worden ist. Zum
Spital gehörten auch eine Badhütte und ein
Friedhof.
Immer wieder wurden Grundstücke etc.
gezielt angekauft. Als z. B. in den 30er-
Jahren des 15. Jahrhunderts die Stadtpfarr-
kirche St. Andrä in Lienz und die Wall-
fahrtskirche von Obermauern (Virgen)
durch die Görzer Bauhütte erneuert wurden
und man dort größere Summen an Bargeld
benötigte und deshalb Realbesitz ver-
kaufte, da erwarb das Lienzer Bürgerspital
von der Kirche in Obermauern ein Gut zu
Niederlesach in Kals und von St. Andrä
einen Zehent zu Oblas bei St. Johann i. W.
und ein Gut in Kötschach. – Hier scheinen
zum ersten Mal „Zechmeister“ auf, später
auch „Zechpröpste“ genannt, deren Aufgabe
Meinrad Pizzinini
Das Heiliggeist-Spital, Bader und
Ärzte in der Stadt Lienz
Grundriss
des ältesten
Baus der
Spitalskirche
mit einer
Gesamtlänge
von ca. 23 m,
zu datieren in
die Zeit gegen
Ende des 13.
Jahrhunderts.
(Zeichnung:
Wilhelm
Sydow,
Bundesdenk-
malamt)
Der Bereich des Lienzer Bürgerspitals mit
Kirche und dem daneben liegenden Tor-
turm der Stadtbefestigung mit der Isel-
brücke; Ausschnitt aus der ältesten Ansicht
der Stadt Lienz von 1606/08.
(Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv)
Foto: Claudia Sporer-Heis
Romanisch (13. Jh.)
14. Jh.