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OSTTIROLER
NUMMER 1/2008
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HEIMATBLÄTTER
hältnis zu seinem Dienstgeber gehabt zu
haben; denn bei seiner Hochzeit im Jahre
1917 fungierte nämlich Stefan Obernoste-
rer als einer der Trauzeugen. Mit Datum
vom 4. Juli 1946 (also nach seinem Tod)
wurde Josef Unterkreuter vom Dienst-
mann-Institut Obernosterer und Ortler eine
Diestbescheinigung für seine Tätigkeit
vom 6. August 1905 bis 1930 ausgestellt.
Im Lehrvertrag für seinen Sohn vom
1. März 1936 wurde sein Beruf als „Stadt-
träger“ benannt (Theodor von Hibler).
In der damaligen Zeit transportierte
Unterkreuter das Gepäck der Gäste und die
Materialien für Betriebe in die Stadt mit
dem schweren, 5 m langen Zweirad-Kipp-
wagen, dessen Holzräder in der ersten Zeit
noch mit Eisen beschlagen waren. Wich-
tige Kunden in der Stadt waren für ihn die
Firmen Pernusch und Radio für Farben,
Gander für Papierwaren, Theodor Hibler
für Lebensmittel und Kolonialwaren. Es
war Schwerarbeit mit unregelmäßigen
Arbeitszeiten! Ab dem Jahr 1938 gab es für
Dienstmänner auch eine Versicherung. Aus
einem Schriftstück geht hervor, dass Un-
terkreuter bei der „Ostmark-Versicherung“
eingetragen war. Im Jahre 1941 muss seine
Gattin wohl mit Plakatierungsarbeiten be-
schäftigt gewesen sein, zugleich oder mit
Herrn Probst, der dieses Gewerbe wahr-
scheinlich von der Stadt erhalten hatte.
Sein Sohn Josef erinnert sich noch daran,
dass damals seiner Mutter selbst das
Plakatierungsgewerbe angeboten worden
sei, was sie aber nicht angenommen hat.
(Sie wollte keine Abhängigkeit von
nationalsozialistischen Arbeitgebern.)
Unterkreuter dürfte im Jahr 1943, also
mit 80 Jahren, noch in Verbindung mit
dem Dienstmann-Institut gestanden sein.
Er starb am 7. März 1946, nachdem sein
Sohn einige Monate vorher vom Krieg
heimgekehrt war.
Chronologisch der Nächste in der Reihe
der Lienzer Dienstmänner war
Julius Maier
,
dem im Jahre 1924 die Konzession als
„Kofferträger“ verliehen wurde (Bezirks-
hauptmannschaft Lienz, Zl. 554/3 vom
25. 1. 1924). Sein Standort: Kaiser Joseph-
Platz Nr. 10.
Er war als „Kofferträger“ auf dem Lien-
zer Bahnhof eingeteilt. Kofferträger muss-
ten bei jedem Zug am Bahnhof sein – wohl
auch, um diesen Dienst nicht zu verlieren.
Julius Maier übte das Dienstmanngewerbe
bis zu seinem Tod im Jahre 1950 aus.
Kurze Zeit führte es noch seine Gattin als
„Witwenbetrieb“ bis zum Jahre 1951. Von
Julius Maier berichtete eine alte ehemalige
Turnerin, dass er mehrere Jahre die Fahne
der Christlich-Deutschen Turner während
der NS-Zeit (1938 bis 1945) in Versteck
gehalten habe.
Jahrgangsmäßig der nächste Lienzer
Dienstmann war
Johann Gander.
Seinem
Sohn Hans und seiner Tochter Elsa sind
die folgenden Daten zu verdanken. Johann
Gander wurde am 14. Juli 1901 in Lesen-
dorf/Oberlienz geboren. Als junger Bursch
begann sein Arbeitsleben bei verschiede-
nen Bauern in der Heimat, dann bei einer
Baufirma in Nordtirol, wo er seine Frau
kennen lernte. Im Jahre 1933 übersiedelte
er von Obsteig mit Gattin und drei Töch-
tern nach Lienz. Nach kurzer Zeit als Ar-
beiter bei der Bahn erwarb er bald die
Konzession für das Dienstmanngewerbe.
Neben seiner Tätigkeit als Gepäcksträger
der Fahrgäste von und zu den Zügen
konnte er untertags auch Frachtenlieferun-
gen und Eilgut-Zustellungen für verschie-
dene Lienzer Firmen durchführen. Seine
Kunden in der Stadt waren u. a. Max
Keller/Zambelli mit Eisenmaterialien, die
Firma Pernusch und Radio mit Farben und
Rohmaterialien. Rückblickend sagen seine
Kinder, es sei ein unvorstellbar schwerer
Dienst gewesen, wenn etwa Gäste vom
Gribelehof samt Gepäck zum Frühzug um
5 Uhr gebracht werden mussten, untertags
die Frachtlieferungen an die Firmen
durchzuführen waren und spät abends
noch beim letzten Zug zu sein – und dies
alles um einen kärglichen Lohn, etwa 50
Groschen pro Gepäcksstück. Um mit ihren
Familien leben zu können, mussten
Dienstmänner vielfach nebenbei andere
Tätigkeiten übernehmen, z. B. Plakatieren
oder – wie Herr Gander – manche Arbei-
ten in einer Fellhandlung.
Im Jahre 1940 wurde Johann Gander
zum Kriegsdienst eingezogen, wo er die
meiste Zeit im Flug-Meldedienst einge-
setzt war: amAnfang in Frankreich, später
in Kötschach-Mauthen und gegen Ende
des Zweiten Weltkrieges an der Beobach-
tungsstation in Untergaimberg. In diesen
Kriegsjahren erfüllte seine Frau den
Dienst der Frachtlieferungen, zeitweise
unterstützt von Frau Hörmann. (Ein Franz
Hörmann wird in diesen Jahren auch
einmal als Dienstmann genannt.) Den
Haushalt musste während des Krieges
die älteste Tochter gemeinsam mit der
Großmutter führen. Die Fortsetzung des
Betriebes war wichtig, damit die Gewerbe-
berechtigung nicht verloren ging. Auch
sie hat mit dem schweren Zweirad-Kipp-
wagen gearbeitet.
Josef Vergeiner aus Assling, Dienstmann bzw. Frächter von 1958 bis 1977; im Bild mit
seinem Lieferauto im Hafen von Genua, um 1970.
Edmund Drexel sen. (mit Franz Moser) im Geschäft Theo Posch, Dienstmann von 1937
bis 1963.