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OSTTIROLER
NUMMER 1/2008
2
HEIMATBLÄTTER
als Träger und Expreß-Boten über Land
angefordert.
Das Institut übernahm Garantien für Ver-
luste, Beschädigungen oder Veruntreuungen
durch die Dienstmänner, um so Solidarität
zu beweisen und die Gunst des Publikums
zu sichern. Angestellt wurden nur un-
bescholtene Männer mit ortsbehördlicher
Legitimation. Die Dienstmänner standen
unter Kontrolle der Direktion des Institutes
und der städtischen Behörde. Von ihrem
Dienstgeber erhielten die Dienstmänner
eine zweckentsprechende Kleidung beige-
stellt: im Sommer eine blaue Bluse, im
Winter einen dunkelbraunen Wollrock mit
rotem Kragen; dazu eine rote Ledertuch-
Mütze mit Schild: „Dienstmann Lienz“.
Zur Ausrüstung der Dienstmänner
Zur Ausrüstung der Dienstmänner gehör-
ten Tragbänder, Gurten, Körbe und Tragen
sowie Handwagen, Roll- und Brücken-
wagen, die gleich angestrichen waren und
so als Institutseigentum kenntlich waren.
Die Dienstmänner hatten während der
Dienstzeit in der Stadt folgende Stationen
zu beziehen: unterer und oberer Stadtplatz,
Rosengasse und Schweizergasse.
Die normale Dienstzeit: im Sommer von
6 bis 20 Uhr; imWinter ab 7 Uhr morgens.
Bei Überschreitung dieser Zeiten konnten
die Dienstmänner mehr verlangen.
Der Auftraggeber erhielt eine Garantie,
welche mit gedruckten Marken bestätigt
wurde. Die Dienstmänner hatten bei Ertei-
lung des Auftrages diese Marken mit Ta-
gesstempel demAuftraggeber unaufgefor-
dert auszuhändigen. Wurde diese Weisung
nicht befolgt, machte sich der Dienstmann
einer Unterschlagung schuldig und damit
straffällig (Schwarzarbeit!). Entschädigun-
gen – bis zu 100 Gulden – bei Beschädi-
gungen oder Verlust des Gutes waren nur
bei Vorlage der Marken möglich.
Feste Tarife (einige Beispiele)
1. Botengänge ohne Gerät, in der Stadt: 5
Kreuzer (kr.); in die nächste Umgebung
wie Schloss Bruck, Leisach und bis Un-
ternussdorf: 20 kr.
2. Mit Gerät oder Lasten bis 100 Pfund, in
der Stadt: 20 kr.
3. Für Übersiedlungsarbeiten, ein ganzer
Tag: 1 Gulden (fl.) 60 kr.
4. Vom Bahnhof in die Stadt, bis zu 30
Zollpfund: 10 kr., bis 100 Pfund pro
Stück 15 kr.
5. Tarife für verschiedene Dienstleistun-
gen:
Stadtführung für Fremde und Handels-
reisende: pro Stunde 15 kr., pro Tag:
1 fl. 50 kr;
Führung von Kranken oder als Kran-
kenwärter: 20 kr. pro Stunde;
als Führer oder Gepäcksträger für
Bergpartien: ganzer Tag: 2 fl. 20 kr.;
Begleitung von Kindern, vor und nach
der Schule: 3 fl. 50 kr./monatlich;
Geldtransporte innerhalb der Stadt:
10 kr. bis 1.000 fl., 20 kr. bis 5.000 fl.;
Begleitung mit Regenschirm oder
Laterne: innerhalb der Stadt 5 kr.;
Express-Gänge, ohne Gerätschaften oder
Gepäck (bis 15 Pfund): 15 kr. pro Stunde;
Holzschneiden: Schnitt per Klafter
Buchenholz 60 kr., Eisenbahnschwellen,
3 Schuh lang, per Klafter 70 kr.;
Holzspalten: hartes Holz – Ofenholz,
1 Klafter, 4 mal geschnitten 2 fl.,
weiches Holz – Ofenholz, 1 Klafter,
4 mal geschnitten 1 fl. 50 kr.;
Holz Aufstocken: 1 Klafter mit 4 Schnitt
1 fl.
Andere Tarife gab es für schwere Trans-
porte, für das Wachsen des Fußbodens,
für das Abholen des Mittagessens vom
Restaurant u. a.
6. Für besondere Anlässe stellte das Insti-
tut, wenn gewünscht, die Mannschaft in
neuer Uniform.
7. Das Dienstmann-Institut „Expreß“ bot
auch Abonnements auf Dienstleistungen
an: für einzelne bestimmte Tage, Wo-
chen oder Monate.
Unterzeichnet: Direktion der Expreß-
Compagnie, Carl Lippert, Direktor.
Was nicht im Reglement stand: Dienst-
männer hatten einen Teil der einkassierten
Beträge an das Dienstmann-Institut abzu-
liefern (Josef Unterkreuter).
Der Tagesablauf eines Dienstmannes
Durch die gesammelten Berichte von
den noch lebenden Angehörigen kann man
sich ein Bild vomAblauf des Arbeitstages
eines Dienstmannes machen, vor allem
soweit es sich um Tätigkeiten im Lienzer
Bereich handelte. Ein Kofferträger, wie
Julius Maier, musste bei jedem Zug
anwesend sein. Zumindest für einen der
Dienstmänner hieß es um fünf Uhr früh
am Bahnhof zu sein. Meist waren Gäste
von ihrer Unterkunft samt Gepäck zum
Frühzug und zu ihrem vom Dienstmann
reservierten Platz zu geleiten. Wenn dann
der erste Zug ankam, hatten sich alle
Dienstmänner auf dem Bahnsteig aufge-
stellt und warteten auf den Ruf „Dienst-
mann“. Jedem Dienstmann waren meist
zwei Waggons zugeteilt. Allerdings durf-
ten nicht alle auf dem Bahnsteig Kunden
in Empfang nehmen, manche nur am Ein-
gang! Bis zum nächsten Zug, etwa um 11
Uhr, hatten die Männer Zeit für Transporte
in der Stadt, wie zu Textilfirmen Nuß-
baumer und Geiger, zur Eisenhandlung
Koczuvan, zu Hibler-Maier (Mehl und
andere Lebensmittel). Die Waren für die
Firmen hatte jeder Dienstmann am Bahn-
hof auszulösen, bei Abgabe erhielt er die
Beförderungskosten vom Kunden zurück.
Im Allgemeinen war es schwere Arbeit!
Das Auf- und Abladen des Transportgutes
erforderte Kraft und Geschicklichkeit, das
Schieben des Zweirad-Kippwagens und
das Ziehen des Vierrad-Brückenwagens
auf den Schotterstraßen war oftmals nur
mit Helfern möglich. Belastend waren
schließlich die unregelmäßigen Arbeits-
zeiten. Jeder kassierte von den Kunden
selber; die Gage war jedoch gering. Die
Dienstmänner mussten daher einem
Nebenerwerb nachgehen, um ihre Familie
erhalten zu können. Mit der Ankunft
des letzten Zuges gegen 11 Uhr nachts war
das Tagewerk getan.
Die alten Dienstmänner von Lienz
Die ältesten genaueren Daten über
Dienstmänner in Lienz gibt es über
Josef
Unterkreuter
. Diese Daten sind seinem
Sohn Josef Unterkreuter (Jg. 1920) zu dan-
ken, der sie mit Unterstützung seiner Gat-
tin Eva zusammen getragen hat.
Josef Unterkreuter, geboren am 14. Juni
1863 in Irschen, kam schon 1885 nach
Lienz. Angefangen hat er beim „Bräu-
stübl“ (Besitzer Unterhueber), war dann
als landwirtschaftlicher Arbeiter beim
„Schwarzen Adler“ (Besitzer Gabriel
Nußbaumer) beschäftigt, ehe er im Jahre
1898 zum
Dienstmann-Institut Johann
Ortler
kam. Von da an diente er über 40
Jahre als Dienstmann in Lienz. Nach Ab-
schluss der ersten Dienstjahre erhielt er am
6. August 1905 ein gutes Dienstzeugnis,
von Johann Ortler ausgestellt (mit 30 Hel-
ler-Stempelmarke). Unter Obernosterer-
Ortler – im gleichen Dienstmann-Institut –
diente Unterkreuter weiter, bis er im Jahre
1915 „kriegsdienstverpflichtet“ für den
Pferdetransport Lienz-Bruneck abgezogen
wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm
er seine Tätigkeit bei seiner früheren Firma
(Stadtplatz Nr. 9) wieder auf, dem ein Teil
der kassierten Beträge abgeliefert werden
musste. Unterkreuter schien ein gutes Ver-
Josef Unterkreuter aus Irschen, Dienst-
mann von 1898 bis ca. 1940.
Johann Gander aus Oberlienz, Dienst-
mann von 1934 bis 1957.