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NUMMER 1/2008
76. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Wenn heute Senioren samt Gepäck mit
der Bahn auf Reisen sind, wünschen sie
sich manchmal die alte Zeit mit den
Dienstmännern zurück. Auf österrei-
chischen Bahnhöfen stehen alte Leute mit
ihrem Gepäck oft ziemlich hilflos da.
In Lienz gab es über Jahrzehnte die
Dienstmänner, und es ist nicht leicht,
etwas über sie zu erfahren, denn die Blüte-
zeit des Dienstmanngewerbes liegt schon
Jahrzehnte zurück. Zum Glück leben noch
einige Söhne damaliger Dienstmänner,
von denen aus eigenem Erleben oder aus
spärlich vorhandenen Unterlagen einiges
über dieses alte Gewerbe zu erfahren ist.
Die älteste Notiz über Dienstmänner in
Lienz ist in einer Hausnummern-Liste von
Lienz aus dem Jahre 1859 zu finden:
Besitzer der Hausnummer 124 war
Mat-
thias Pölt
, von Beruf Dienstmann. Wahr-
scheinlich war er der Nachbar der Seilerei
Putzenbacher mit Hausnummer 123.
Mit der Eröffnung der Südbahnstrecke
Marburg-Franzensfeste im November
1871 dürfte der Besucherstrom auswärti-
ger Gäste den ersten Aufschwung für
Lienz erhalten haben. Um den Ansprüchen
der Gäste gerecht zu werden, richteten ge-
schäftstüchtige Lienzer größere Gaststät-
ten ein; z. B. entstanden die Gasthöfe
„Neuwirt“ und „Neustadt“. Um die Rei-
senden vom Zug zu den Quartieren und
zurück zu bringen, waren in Lienz Dienst-
männer eine notwendige Einrichtung.
Dieses Gewerbe bot über viele Jahrzehnte
Beschäftigung und Verdienst. Die Bezirks-
behörde stellte hiefür eine Gewerbebe-
rechtigung aus, die sich auf alle Tätigkei-
ten erstreckte, die mit Hand erledigt wer-
den konnten. Dazu zählte vor allem der
Transport von Koffern der Gäste, die mit
dem Zug ankamen oder abfuhren. Später
kam in steigendem Maße der Transport
von Lasten aller Art vom Bahnhof zu vie-
len Lienzer Firmen und Geschäften hinzu.
Schon bald nach Eröffnung der Süd-
bahn-Strecke wurde die Tätigkeit von
Dienstmännern gewerblich geregelt. Dafür
hatte sich ein Dienstmann-Institut etabliert.
Wie aus einer Erhebung der Bezirkshaupt-
mannschaft Lienz 2007 hervorgeht, exis-
tierte diese Einrichtung von 1891 bis etwa
1940. Dessen erster Leiter war Johann
Ortler, der im Jahre 1917 starb. Seine
Gattin führte den Betrieb unter dem
Firmennamen „Dienstmann-Institut-Ortler
und Obernosterer“ bis 1937 weiter.
Wie aus den Aufzeichnungen über
Josef Unterkreuter, einen der frühesten
Dienstmänner, hervorgeht, gab es das In-
stitut sicher noch im Jahre 1943. Eine aus-
gestellte Dienstbestätigung bezeugt die
Existenz dieses Instituts noch für das Jahr
1946.
Das Lienzer Dienstmann-Institut
„Express“
Im Jahre 1878 gab das Dienstmann-In-
stitut „Express“ der Stadt Lienz ein Regle-
ment heraus, worin die Tätigkeiten der
Mannschaft bis ins Einzelne festgelegt
wurden. Die wichtigsten Punkte aus dem
Reglement sind:
Die Mannschaft des Institutes ist kenntlich
durch rote Abzeichen an Rock und Mütze
und durch den Expreß-Mützen-Schild.
Die Dienstmänner werden benützt zu
allen möglichen Dienstleistungen und
Handarbeiten im häuslichen Bereich und
in kaufmännischen und gewerblichen
Geschäften, z. B. zu Besorgungen mit
und ohne Lasten aller Art, zum Auf- und
Abladen von Wein und verschiedenen
Gütern: Zu den Arbeiten zählten u. a. auch
Wasser-, Kohlen- und Holztragen, Holz-
machen, Schneeschaufeln, Besorgungen in
der Stadt und Umgebung. Dienstmänner
wurden auch als Fremden- und Bergführer,
Alois Heinricher
Das Dienstmann-Gewerbe in Lienz
Titel und erste Seite der Statuten des Dienstmann Instituts „Expreß“ der Stadt Lienz
(Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum).