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OSTTIROLER
NUMMER 2-3/2008
6
HEIMATBLÄTTER
Nistkästen für verschiedene Singvögel
soll man jedes Jahr nach demAusflug der
letzten Jungtiere ausräumen und säubern,
damit sie in der nächsten Saison wieder
bewohnt werden können. Manchmal wird
diese Arbeit auf das Frühjahr verschoben
und dann geht die Folge etwas anders. In
den Nistkästen siedeln sich verschiedene
Kleinsäuger, Hornissen (z. B. an Pappel
am Linken Drauweg in Lienz) oder Hum-
meln an, letztere im Freien vorwiegend in
alten Mausnestern.
In Dölsach wurde durch S. und A.
Lindsberger Anfang März 2007 ein altes
Meisen-Nest aus einem Nistkasten samt
einem beachtlich großen Hummelnest ge-
bracht. Zur genaueren Erfassung aller In-
sassen wurde die „Morgengabe“ bis zum
Sommer in einem großen Glas gehalten
und fortlaufend alle gefundenen Begleit-
tiere aufgesammelt und ausgewertet.
Die toten Hummeln erwiesen sich als
die bei uns häufige Art Stein-Hummel
(Bombus lapidarius).
In Osttirol wurden
bei NEUMAYER & KOFLER (2005)
nicht weniger als 34 Arten dieser Bienen-
gattung bei Auswertung von fast 7.200
Datensätzen seit 1873 gemeldet, das sind
75 % aller Arten Österreichs, „der Bezirk
ist ein hot-spot der Hummeldiversität im
Alpenraum“.
Für den Lokalfaunistiker besonders
interessant waren die verschiedenen
sonstigen Bewohner in diesem Kasten.
Es wurden gruppenweise registriert:
Reste von der Jungvogel-Fütterung:
Schwebfliege ohne Kopf
(Eristalis),
Hin-
terleib einer Wespe
(Paravespula vulgaris)
und vom Garten-Laubkäfer
(Phyllopertha
horticola)
samt mehreren Flügeldecken,
einzelne Flügel von Schnellkäfern
(Limo-
nius
,
Melanotus)
und Laufkäfern
(Poeci-
lus, Amara).
Als Überwinterer fand sich
auch der Marienkäfer „Zweipunkt“
(Ada-
lia bipunctata).
Zahlreich schlüpften auch
Fleisch-
fliegen
(Sarcophagidae), die sich im
Hinterleib der Hummeln entwickelten.
Daraus wurden sie geschält und dann sepa-
rat verwahrt. Nunmehr schlüpften in den
nächsten Wochen mehrere Hundert von
kleinen
Schmarotzerwespen
der Familie:
Pteromalidae (einige Dutzend sind präpa-
riert worden). Diese Familie zählt weltweit
ca. 5.000 und in Mitteleuropa über 800
Arten. Die Artbestimmung kann nur durch
Spezialisten erfolgen, auch bei den sieben
Stück von Torymidae. Diese beiden Fami-
lien der
Erzwespen
haben nicht einmal im
dreisprachigen „Wörterbuch der Tiere“ von
COLE (2000) einen deutschen Namen!
Zusätzliche Bewohner waren mehrere
Käferarten:
Speckkäfer
(Dermestidae):
Gemeiner Speckkäfer
(Dermestes larda-
rius
, 1 Insekt, 3 Larven);
Lagerhauskäfer
(Trogoderma glabrum)
lebende fünf Stück, bisher seit 1960 nur
vier Ex. im Stadtgebiet, die Art lebt vor-
wiegend in Bauten solitärer Bienen;
Bibernellenblütenkäfer
(Anthrenus pim-
pinellae):
noch lebend vom Meisennest
übrig: lebt in Vogelnestern, seltener als
Schädling in Häusern an Wolle und Pel-
zen, ab Mai häufig im Freien an Blüten
zum Pollenfraß. – Eine zweite, größere Art
ist noch unbekannt
(Anthrenus ? olgae).
Schimmelkäfer
(Cryptophagidae):
Antherophagus canescens
: Diese Art lebt
auf Blüten, klammert sich an Hummeln und
läßt sich in deren Nester tragen, wo sie von
Kot und Abfällen lebt. In Osttirol bisher nur
vereinzelt in Aguntum/Dölsach in Hummel-
nest und Kollreid/Anras in gelber Blüte.
Plattkäfer
(Cucujidae):
Cryptolestes ferrugineus
: wie vorige
Art recht selten: bisher nur vier Stück in
Lienz-Stadt, Ainet, Lavant, sehr kleine Art
mit ca. 2 mm, ganz flacher Körper wegen
der Lebensweise unter Baumrinden, leben
von zerfallenden Pflanzen und Rindenin-
sekten, manche auch in Ameisennestern.
Unter den neun Exemplaren befand sich
allerdings nur ein Männchen.
Diese Gesamtausbeute gibt eine gute
Einsicht in das Leben solcher Tierbauten.
Dass dabei auch seltenere Gäste auf-
tauchen war besonders interessant. Den
Überbringern des Nestes sei besonderer
Dank gesagt, ihre Aufmerksamkeit ist
zur Nachahmung empfohlen, obwohl ein
Faunistiker überfordert wird, man lernt bei
der Lebensweise der Insekten nie aus.
Literatur:
COLE, Th. (2000): Wörterbuch der Tiernamen: Latein-
Deutsch-Englisch, Deutsch-Latein-Englisch. – Spektrum
Akad. Verlag Heidelberg-Berlin. 970 pp.
FREUDE, H., K.W. HARDE, G.A. LOHSE (1964-1983):
Die Käfer Mitteleuropas. Bd.1-11. – Verl. Goecke &
Evers, Krefeld.
HONOMICHL, K. (1998): Biologie und Ökologie der
Insekten, 3. Aufl. (JACOBS/RENNER): Verl. G. Fischer
Stuttgart., 678 pp.
KEILBACH, R. (1966): Die tierischen Schädlinge Mittel-
europas. –Verl.G. Fischer, Jena, 784 pp.
NEUMAYER, J. &A. KOFLER (2005): Zur Hummelfauna
des Bezirkes Lienz (Osttirol, Österreich). – Linzer
Biologische Beiträge 37(1):671-699.
Alois Kofler
Hummelnest in Meisen-Nistkasten
Nest der Stein-Hummel, angepasst an die Größenverhältnisse im Inneren des Meisen-
Nistkastens.
Foto: A. Kofler