Seite 1 - H_2010_04

Das ist die SEO-Version von H_2010_04. Klicken Sie hier, um volle Version zu sehen

« Vorherige Seite Inhalt Nächste Seite »
Die Entstehung der Arbeiter-
gesangvereine in Österreich
Betrachtet man die Entwicklung der Ar-
beitersänger, stellt man sich unwillkürlich
die Frage, wie weit denn deren Wurzeln
zurückreichen. Singende Arbeiter gibt es
vermutlich schon, seit es die Arbeit gibt,
wenngleich man weder von den Gesängen
der steinzeitlichen Menschen noch der
Sklaven der antiken Völker Genaueres
weiß. Erst seit der Zeit der Bauernkriege
im 16. Jahrhundert ist eine Reihe von Lie-
dern überliefert, worin die Unterdrückung
der Leibeigenen besungen wird. Ihnen
folgen die Zunft- und Wanderlieder der
Handwerksburschen. Seit 1810 regiert in
Österreich als Staatskanzler Fürst Metter-
nich und schafft seit 1815 einen jede Frei-
heit unterdrückenden Staat, dessen Polizei
äußerst gefürchtet ist. Die Industrialisie-
rung des Landes schreitet immer rascher
voran. Zum Beispiel gibt es im Jahre 1841
in Nieder- und Oberösterreich, Kärnten,
Tirol und der Steiermark zusammen 60
Hochöfen, 344 Eisen- und Stahlhämmer,
18 Walzwerke, neun Gussstahlöfen und
sieben mechanische Werkstätten.
Eng mit dieser Entwicklung verbunden
ist die Entstehung eines völlig neuen Stan-
des, des Arbeiters im modernen Sinne, des
Proletariats. Die zur damaligen Zeit
strenge Handhabung bezüglich der Ver-
einsgründung ermöglicht zwar die Schaf-
fung zahlreicher bürgerlicher Liedertafeln,
für Arbeiter jedoch bestehen nur dann Aus-
sichten auf Genehmigung, wenn sie bür-
gerliche Fürsprecher haben.
Erst mit der Neuordnung des Vereins-
rechtes am 15. November 1867 wird im
Gegensatz zur bisherigen Regelung nach
dem kaiserlichen Patent von 1852 die
Gründung von Vereinen wesentlich er-
leichtert und damit auch für Arbeiterver-
eine ohne Fürsprache eines bürgerlichen
Protektors möglich. Diese neuen gesetz-
lichen Bestimmungen bringen nun eine
Fülle von Vereinsgründungen mit sich. Im
Jahre 1901 erreicht das Arbeiterchorwesen
einen organisatorischen Wendepunkt, als
es gelingt, als Zentralorganisation des
Arbeitergesanges den „Reichsverband der
Arbeitergesangvereine“ ins Leben zu
rufen. Mit dem „Reichsverband der Arbei-
tergesangvereine Österreichs“ ist nun eine
Dachorganisation der Arbeiterchöre „der
im Reichsrat vertretenen Königreiche und
Länder“, also der österreichischen Hälfte
der Doppelmonarchie, geschaffen. Mit-
glied kann laut Statut jeder Gesangsverein,
Sängerklub und jede Gesangssektion deut-
scher Zunge werden.
Die Gründung des Arbeitergesang-
vereines „Edelweiß“ Lienz
In den Jahren vor 1910 bildeten einige Ei-
senbahner der Zugsbegleitung zwanglos ein
Quartett und sangen während der Pausen
auf den Bahnhöfen der Drautalstrecke. So
gesellten sich auch in Lienz mehrere Sänger
zur Eisenbahnerrunde. Da war es nun der
Eisenbahn-Ingenieur Pupp aus Lienz, der
mit der Sängerrunde sprach. In der Folge
NUMMER 4/2010
78. JAHRGANG
OSTTIROLER
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Manuela Girstmair
100 Jahre AGV „Edelweiß“ Lienz
Die früheste Aufnahme mit den Mitgliedern des im Jahr 1910 gegründeten Lienzer
Arbeitergesangvereines „Edelweiß“.
Ansichtskarte mit dem Emblem des AGV „Edelweiß“ Lienz, 1912, hrsg. von der
Fotografischen Kunstanstalt H. Fracaro, Lienz.