Seite 8 - Gemeindezeitungen

Basic HTML-Version

Seite 8
10/2014
Viele Bürgerinnen und Bürger sind immer wieder überrascht,
wenn es aus ihrer Sicht zu unerwarteten Verzögerungen bei
der Baubehörde, sprich Gemeinde bzw. Bürgermeister kommt.
Dabei nehmen sämtliche Bauwerber schon im Vorfeld die
Hürde der Planung und Finanzierung, die oft viele Wochen
dauert, und verhalten sich dann oft ungehalten über den
„Amtsschimmel“ bei der Baubehörde, wenn das Bauansuchen
nicht vollständig oder das Bauvorhaben im schlechtesten Fall
überhaupt nicht bewilligbar ist. Das einhellige Motto „das
wird schon nicht so tragisch sein“ und „der Planer wird schon
wissen wie das geht“, wird aber dann vielen zum Verhängnis
und kostet unnötig Zeit, Geld und Nerven.
Daher habe ich mich entschlossen, diesen „Amtsschimmel“
unseren Bauwerbern, so einfach wie möglich, verständlich zu
machen. Aus diesem Grunde können nachfolgend auch
Bezeichnungen gebraucht werden, die nicht ganz korrekt, aber
für viele leichter verständlich sind.
Zunächst aber zum komplizierten Baurecht. Das Baurecht ist
eine der ältesten Verwaltungsmaterien und geht im Kern auf
brandschutzrechtliche Regelungen zurück. Heute umfasst das
Baurecht neben dem Brandschutz vor allem die Standsicher-
heit, die Hygiene, den Gesundheitsschutz, den Umweltschutz
(insbesondere Schallschutz) und Maßnahmen zur Energieein-
sparung sowie die Nutzungssicherheit. Bereits von Anfang an
enthielt das Baurecht auch nachbarrechtliche Bestimmungen.
Überdies dient das Baurecht der konkreten Umsetzung rau-
mordnungsrechtlicher Vorgaben, hier wiederum insbesondere
in Bezug auf den Flächenwidmungsplan und die Bebauungs-
planung.
Diese Sammlung an Bauthemen in einem Artikel zu erklären,
ist natürlich nicht möglich. Vielmehr geht es darum, den Bau-
werbern die Arbeitsweise einer Baubehörde anhand eines
Bauansuchens zu erklären.
Für viele Bauwerber sind die vorhergehenden Zeilen schon
gespickt mit Fachbegriffen, mit denen nicht wirklich viele
etwas anfangen können. Nachfolgend wird eine nicht vollstän-
dige Aufzählung der zu beachtenden Gesetze angeführt, die
der Bürgermeister als Baubehörde überprüfen muss, damit ein
Bauvorhaben als „rechtmäßig“ gilt:

Tiroler Bauordnung 2011 - TBO 2011, LGBl Nr 57/2011 idF
130/2013

Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 - TROG 2011, LGBl Nr

Technische Bauvorschriften 2008, LGBl Nr 93/2007 idF 78/2013

Planunterlagenverordnung 2013 LGBl Nr 74/2013

Baulärmverordnung 1998, LGBl Nr 91/1998

Übertragungsverordnung, LGBl Nr 78/2009 idF LGBl Nr 108/2012

Tiroler Gas- Heizungs- und Klimaanlagengesetz 2013,LGBl Nr
111/2013

Tiroler Aufzugs- und Hebeanlagengesetz, LGBl Nr 153/2012

Tiroler Stadt- und Ortsbildschutzgesetz 2003 – SOG 2003, LGBl
Nr 89/2003 idF LGBl Nr 130/2013

Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz, LGBl Nr 58/2011
idF LGBl Nr 130/2013
Wie man sieht, ist das Baurecht eine ziemlich umfassende
Angelegenheit. Die Überprüfung eines Ansuchens nimmt
natürlich nicht nur Zeit in Anspruch, sondern hat auch dement-
sprechend viele Beteiligte, da natürlich sämtliche Gesetze
nicht durch eine „Person“ überprüft werden können. Der Bür-
germeister ist zusätzlich gesetzlich dazu verpflichtet, für die
unterschiedlichen technischen Bereiche (Hochbau, Brand-
schutz, Elektrotechnik, Wärmeschutz, Schallschutz, Lüftung,
etc.) Sachverständige zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit her-
anzuziehen. Unsere Gemeinde verfügt über keine eigenen
Sachverständigen bzw. kann sich diese aus Kostengründen
nicht leisten. Deshalb gibt es zB. zwei hochbautechnische
Sachverständige, die alle 33 Gemeinden Osttirols betreuen
oder beim Brandschutz gibt es in Tirol die Landesstelle für
Brandverhütung, die alle Gemeinden Tirols, die keinen eige-
nen Brandschutzsachverständigen haben, in diesem Bereich
betreuen.
Deshalb sind nach der Antragstellung „Bearbeitungszeiten“
des Ansuchens einzurechnen. Diese „Bearbeitungszeiten“
können durchaus beschleunigt werden, wenn der Bauwerber
und der Planer (befugter Baumeister, Architekt) während der
Planungsphase mit den Sachverständigen und der Gemeinde
abklären, welche Voraussetzungen für eine Bewilligung des
Bauvorhabens vorliegen müssen. Wenn eine Kontaktaufnah-
me mit der Baubehörde und den Sachverständigen vor Antrag-
stellung erfolgt, kann dies eine Zeitersparnis von bis zu 4
Wochen bedeuten. Der weitere Ablauf des Behördenverfah-
rens ist dann zeitlich durchaus vorhersagbar. 4 Wochen nach
Ausstellung des Bescheides ist der Bescheid rechtskräftig
(wenn keine Beschwerde einlangt) und kann somit mit dem
Bauvorhaben begonnen werden.
Wenn kein vollständiges Ansuchen vorliegt, kann man zeitlich
schwer abschätzen, wie lange das Verfahren dauern wird. Je
nach vorliegendem Mangel (unvollständige oder fehlende
Planunterlagen, unvollständiges Bauansuchen, etc.) kann sich
das Bauverfahren unterschiedlich lang verzögern. Jedenfalls
bedeutet jedes unvollständige Ansuchen einen Zeitverlust von
mindestens zwei Wochen!
Wenn nun ein vollständiges Bauansuchen bei der Gemeinde
eintrifft, kann überblicksmäßig mit folgenden „Wartezeiten“
gerechnet werden:
Die 8 – 10 Wochen Zeitspanne kommt im günstigsten Fall
zum Tragen. Ein vollständiges Ansuchen bedeutet auch, dass
die „richtige“ Flächenwidmung und auch ein evtl. vorhande-
ner Bebauungsplan für den Bauplatz vorhanden sind. Es
kommt vor, dass im Zuge des Bauverfahrens ermittelt wird,
dass keine passende Flächenwidmung vorliegt oder ein
Bebauungsplan für den Bauplatz erlassen werden muss, damit
ein Bauvorhaben umgesetzt werden kann. Diesen Verfahrens-
ablauf werde ich in einer der folgenden ACHSE-Ausgaben
schildern.
Gemeindeamtsleiter, Mag.(FH) Florian Müller
Hurra - der Plan ist fertig, wir können bauen(?)
Bauverfahren eine komplizierte Sache