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EMEINDE
Die Seiten des Chronisten
Historisches zum „Helenenkirchtag“
Zur Aufgabe des Chronisten gehört nicht nur, die
Gegenwart in Text und Bild festzuhalten, sondern
auch aus alten Aufzeichnungen zu zitieren, wenn es
die Situation erfordert. Einen solchen Anlass liefert
der sogenannte „Helenekirchtag“, ein Fest, das in den
letzten Jahren neu „erfunden“ wurde und in dieser
Form in der Vergangenheit nie existierte. Im Gegenteil
– in einem Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahr 1956
An alle Gemeindebürger von Thurn
Es sind nunmehr 75 Jahre vergangen, als an jenem
schreckensreichen 24. Iuni 1881 ein fünfmaliger katastrophaler
Hagelschlag mit Hühnerei grossen Schlossen, den Zauchenbach
und den Schleinizbach aus den Ufern treten ließ und an Äckern
und Wiesen, Wegen und Brücken, Haus und Hof verhehrende
Schäden anrichtete. Nach amtlicher Aufzeichnung betrug
der verursachte Schaden 29.752 Gulden, wobei der völlige
Ernteausfall nicht miteingerechnet war. (Nach heutigem
Wert ca 2.000.000,-- S) Dazu kam noch die ständige Gefahr
weiterer Vermurrung, bis zur Errichtung der notwendigen
Schutz- und Regulierungsbauten, für welche das Land
Tirol nach langwierigen Verhandlungen nur l.000,-- Gulden
beisteuerte. In Anbetracht dieser bedrohlichen Lage erscheint
es kaum verwunderlich, wenn sich so mancher Bauer mit der
Absicht vertraut machte, Haus und Hof zu verkaufen und die
Heimat zu verlassen. Aber es fand sich niemand, der sich in
dieser unsicheren Gegend ankaufen wollte, und so waren sie
gezwungen, ihr Schicksal auf sich zu nehmen.
In dieser verzweifelten, völlig ausweglosen, bedrohlichen Lage,
haben sich unsere gottesfürchtigen Vorfahren vertrauensvoll in
besonderer Weise an den Herrgott gewendet, um Schutz und
Hilfe in ihrer Not zu erbitten. Sie haben in feierlicher Weise für
alle Zukunft gelobt, die seit altersher verlobten Feiertage und
Kreuzgänge auf St. Helena, zur Abwehr von Hagelschlag und
Ungewitter, wieder besser und eifriger zu halten, insbesondere
aber den Magdalenatag. Der Lohn hiefür ist nicht ausgeblieben.
Wenn man von einigen kleineren Erinnerungsschäden absieht,
so kann man wohl sagen, daß in diesen 75 Jahren nicht allzuviel
passiert ist, und wieder Zuversicht und Heimattreu längst
eingekehrt sind.
So wollen auch wir, in Erinnerung an die Notzeit unserer
Vorfahren, diesen 75. Jahrestag nicht stillschweigend an uns
vorüberziehen lassen und wollen das Verlöbnis unserer Ahnen
undUrahnennicht verlorengehen lassen, sondern esweitertragen
für alle zukünftigen Geschlechter. Aus diesem Anlasse hat der
Gemeinderat in seiner Sitzungvom11.9.1955undneuerdings am
24. Juni 1956. beschlossen das Magdalenagelöbnis zu erneuern
und in der St. Nikolauskirche zu Thurn am Magdalenatag um 4
Uhr nachmittags eine Bitt- und Dankandacht folgenden Inhalts
einzuführen:
1. Predigtlied und Ansprache.
2. Verkündung der Erneuerung des Magdalenagelöbnisses.
3. Aussetzung des Allerheiligsten, und den 4 hl. Evangelien.
4. Weihe der Gemeinde an das heiligste H e r z J e s u
und Weihegebet.
5. Herz-Jesu-Lied, Tantum ergo, und S e g e n.
6. Herz - Jesu - Bundeslied.
Mit diesem Beschlusse hofft der Gemeinderat im Namen der
ganzen Gemeinde einen kleinen Teil der Dankesschuld an
unseren göttlichen Bundesherrn abstatten zu können, und für die
Zukunft Gottes reichsten Segen und den besonderen Schutz des
heiligsten Herzens Jesu zu erbitten. In diesemSinne legen wir all
unsre allgemeinen und besonderen Anliegen der Gemeinde - im
Gedenken an das Gelöbnis unserer gottesfürchtigen Vorfahren
- dem heiligsten Herzen Jesu mit dem besonderem Wunsche zu
Füßen, daß sich immer mehr Familien in der Gemeinde dem
Herzen Jesu weihen möge.
So wollen wir den Magdalenatag wieder so begehen und halten,
wie ihn uns die Ahnen und Urahnen seit altersher vorgelebt
haben. Am Vorabend wollen wir um 3 Uhr nachmittags, wenn
die Glocke von St. Helena und Thurn ruft, die Arbeit einstellen.
Am Magdalenatage selbst, wollen wir die Arbeit ruhen lassen
wie am Sonntag und ihn auch nicht durch leichte, aber unnötige
Arbeiten und Vergnügungen entweihen. Der Gottesdienst auf
St Helena ist auf 9 Uhr festgesetzt, so daß es vielen möglich
sein wird, mit dem Kreuzgang von der Thurner Kirche weg,
teilzunehmen. Am Nachmittag wollen wir uns dann alle, um 4
Uhr zur Gelöbnisfeier in der Thurner-Kirche versammeln.
In der Hoffnung dass Ihr alle, die gläubigen Herzens sind eifrig
mittun, und daß Ihr auch bereit seid in dieser Hinsicht- in die
Fußstapfen Eurer Vorfahren zu treten, grüßt Euch
Euer Bürgermeister
Thurn, im Juli 1956 Alois Unterweger e. h.
Raimund Mußhauser
ruft Bgm. Alois Unterweger alle Gemeindebürger dazu
auf,
„am Magdalenatage … die Arbeit ruhen (zu) lassen
… und ihn auch nicht durch leichte, aber unnötige
Arbeiten und Vergnügungen entweihen.“
Aber lest
selbst. Im Folgenden das Rundschreiben des früheren
Bürgermeisters und Ehrenbürgers unserer Gemeinde
Alois Unterweger.
Was manche Leute sich selbst
vormachen, das macht ihnen
so schnell keiner nach!
(G. Uhlenbruck)