HB_2022_03-04

NUMMER 3-4/2022 90. JAHRGANG OSTTIROLER HEIMATBLÄTTER H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “ In biblischer Zeit waren Schafe und Zie- gen Hauptbesitz der Züchter und Halbno- maden. Die Herden dürften jeweils aus einer großen Zahl von Tieren bestanden haben, wie aus der Erzählung im Buch Ijob 1,16 ge- schlossen werden kann. Die Bevölkerung im antiken Israel lebte hauptsächlich von der Landwirtschaft. Das Land war von Steppen, Halbwüsten und Wüsten durchzogen, die Gegen- den bewohnten Noma- den und Halbnomaden. Der Evangelist Lukas erzählt im Rahmen der Geburt Christi von Hir- ten, die „ Nachtwache bei ihrer Herde“ hielten (Lk 2,8), Schafherden hatten also einen Wert. Von dieser Umge- bung geprägt, waren Schafe und Ziegen als „Kleinvieh“ die hauptsächlichen Haus- tiere. Sie lieferten Milch, Fell und Wolle. Schafe bildeten somit einen Besitzanteil der Israeliten, ihr Verhalten regte zu „bild- haften Vergleichen für die Darstellung menschlicher oder göttlicher Wesens- züge“ an. 1 Es verwundert daher nicht, dass Schafe auch in Alltag und religiöse Rituale inkulturiert wurden. Als reine Tiere fanden Lämmer für religiöse Opfer Verwendung, sie mussten fehlerlos, einjährig und männ- lich sein. Lamm, Schaf, Widder, Guter Hirte – Lebens-Symbole im Alten und Neuen Testament Schaf oder Lamm finden in der Bibel in 196 Stellen mit Abstand die häufigste Er- wähnung von allen Tieren. Allein imAlten Testament sind es 159, im Neuen Testa- ment 37 Bezugsstellen. Erzählungen des Alten und Neuen Testamentes greifen immer wieder auf Schafherden zurück; deren Verhalten stellten sie jenem der Menschen gegenüber, die dazu neigen um- herzuirren, die aber letztlich ihrem Hirten folgen und ihm anvertraut sind. Jesaia fand die Worte: „ Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg.“ (Jes 53,6). Diese Vergleiche finden im Neuen Testament ihre Fortsetzung: Der Evangelist Lukas schreibt: „Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es findet – Amen, ich sage euch: Er freut sich über dieses eine mehr als über die neunundneunzig, die sich nicht verirrt haben.“ (Lk 15, 4-7). Gerne verwenden die biblischen Erzähler das Schaf als Symbol für den Umgang der Menschen untereinander. ImVerhältnis zu Gott sind imAlten Tes- tament Schaf und Lämmer „ein Bild dafür, dass der Mensch Leitung, Pflege und Schutz bedarf“ – ein Bild des Erbarmens und der Fürsorge Gottes. 2 Neben vielen ähnlichen Bibelstellen schreibt der Psalmist in Ps 95,7: „Denn er ist unser Gott, wir sind das Volk seiner Weide, die Herde, von seiner Hand geführt.“ Psalm 23 drückt das Vertrauen in die Führung Gottes aus: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich la- gern auf grünen Auen, und führt mich zum Rast- platz am Wasser.“ Dem Hirtengleichnis begegnen wir bereits in den Schriften des alten Bundes. Die Sorge um die Herden spielte bei den Bewohnern Palästi- nas eine große Rolle, sie waren sich der Verant- wortung bewusst, die auf dem Hirtenamt lastete. Die Herden waren den Hirten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Das Bild des Guten Hirten apostrophierte bereits im Alten Testament gute weltliche Regenten. Der Gott Israels aber drohte den Hirten, „die die Schafe meiner Weide zugrunde richten und zerstreuen“. Gott selbst sammelt aber seine Schafe und bringt sie zurück auf seine Weide (Jer 23,1-2). Die Hirtengestalt des Alten Testamentes zeigt Gott als den Schöpfer und Eigentümer sei- ner Herde – damit mit der Pflicht für das Wohl der Seinen zu sorgen. 3 Im Neuen Tes- tament symbolisieren Schaf und Hirte die Liebe Jesu zu den verlorenen Menschen. Jesus als der gute Hirte gibt sein Leben für seine Schafe. So spricht Petrus im zweiten Brief Menschen als verirrte Schafe an (1 Petr 2,25): „Denn ihr hattet euch verirrt, wie Schafe, jetzt aber seid ihr heimgekehrt zum Hirten und Bischof eurer Seele.“ Der Evangelist Johannes unterstreicht Jesus als den guten Hirten im Gegensatz zum be- zahlten Knecht – Jesus sagt: „Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, Franz Jäger Widder – Schaf – Lamm (1) Von frühchristlichen Mosaiken zu den Widderprozessionen in Osttirol Reliefstein mit dem Osterlamm, Relikt der romanischen, im Jahr 1204 geweihten Pfarrkirche St. Andrä in Lienz. Foto: Meinrad Pizzinini

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